Viele Finanzprodukte passen nicht zum Bedarf der Anleger. Das lässt sich aus einer Studie schließen, die für das Projekt Marktwächter der Verbraucherzentralen erstellt wurde. 95 Prozent dieser Anlageprodukte waren aus Sicht der Experten nicht im besten Kundeninteresse. Denn sie waren oft wenig rentabel und teurer als vergleichbare Produkte. Auch waren sie oft unflexibel und für die Anleger eigentlich zu riskant. Für die Studie wurden fast 3900 Anlageprodukte bewertet.
Grundlage dafür waren über 830 persönliche Geldanlage- und Altersvorsorgeberatungen von Verbraucherzentralen.
Auch wenn die Studie von 2015 ist, das Problem besteht weiterhin. Um die Angebote verstehen und vergleichen zu können, sind Verbraucher nach wie vor auf Beratung angewiesen. «Anleger wenden sich dabei häufig an Berater, die sie kennen und denen sie vertrauen», sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. «Und deren Ratschlägen folgen sie dann in der Regel auch.»
Über Alternativen informieren sie sich dabei oft nicht, hat auch Marcel van Leeuwen von der Deutschen Wertpapiertreuhand beobachtet. Anleger «investieren Monate für einen informierten Autokauf», sagt der Vermögensberater. «Die Entscheidung, wie sie ihr Geld anlegen, treffen sie in fünf Minuten aus dem Bauch heraus.» Dabei wäre es eigentlich in ihrem eigenen Interesse, dass ihre Ersparnisse bedarfsgerecht angelegt werden. Aber die Anleger sind nicht alleine schuld daran, dass sie oft riskante oder unflexible Produkte gekauft haben.
Auch der Finanzvertrieb spielt eine Rolle. «Ein Finanzberater verkauft Produkte», sagt Nauhauser. In der Beratung gehe es daher nicht immer nur um die Bedürfnisse des Kunden, sondern auch um die Provision des Beraters. Das sei vielen Verbrauchern nicht bewusst.
Doch mit der Umsetzung Finanzmarktrichtlinie MIFID II soll nun bald alles besser werden. Denn die Regelungen sehen unter anderem vor, dass Finanzberater ihre Kunden künftig darüber aufklären müssen, warum sie ihnen ein bestimmtes Produkt vorgeschlagen haben - und zwar schriftlich. Gelten sollen die Regelungen ab Januar 2018.
Wird der Anlegerschutz mit der Regel verbessert? Ja, glaubt Frank Wieser. «Die Beratungspraxis wird sich zwangsweise ändern», sagt der Geschäftsführer bei PMP Vermögensmanagement. «Anbieter können nicht mehr beliebig Finanzprodukte produzieren und auf den Markt werfen. Sie müssen sich vorher Gedanken machen, für wen ein solches Instrument geeignet ist.»
Nauhauser ist skeptischer: «Schon heute muss die Beratung ja dokumentiert werden.» Doch die Protokolle enthielten häufig nur Standartformulierungen. Das könne möglicherweise bei den Begründungen für Produktempfehlungen ähnlich sein, vermutet der Verbraucherschützer.
Auch Gerhard Rosenbauer von Avana Invest ist skeptisch: «Der Kern der Probleme wird nicht angegangen. Der graue Kapitalmarkt wird nicht ausgetrocknet.»
Und so bleibt Anlegern nur eins: Sie müssen ihre Geldanlage selbst in die Hand nehmen. Der erste Schritt: «Sie sollten ein klares Anlageziel definieren», rät Nauhauser. «Und dann müssen Sie sich Gedanken über Ihre Risikobereitschaft und Ihren Anlagehorizont machen.» Damit lassen sich meist passende Produkte finden.
«Gerade jüngere Kunden haben einen langen Anlagehorizont und wünschen sich einen Vermögensaufbau», erklärt Wieser. Hier eigne sich etwa ein weltweiter Aktienfonds. «Ist die Pensionsgrenze überschritten, legen viele Kunden Wert auf eine hohe Ausschüttung in Ergänzung zur Rente. Dafür eignen sich dann Dividendenfonds.»
Einen grundlegenden - und vermeidbaren - Fehler machen viele Anleger aus Sicht von Leeuwen aber immer wieder: «Die meisten Privatanleger betrachten Produkte einzeln.» Das Wichtigste ist aus Sicht des Vermögensberaters aber die Gesamtstrategie. «Ein einzelnes Produkt muss etwas zur Verbesserung des Gesamtportfolios beitragen können. Hierbei steht das Zusammenspiel zwischen den Produkten im Mittelpunkt.» (DPA/TMN)