Der erste Besuch von Kanzlerin Angela Merkel bei Kremlchef Wladimir Putin seit zwei Jahren nährt Hoffnungen auf eine Entspannung im Verhältnis zwischen Deutschland und Russland. Das Treffen in Sotschi könnte eine Annäherung bringen, sagte der Politologe Wladislaw Below der dpa in Moskau. Dennoch dürften die Erwartungen nicht zu hoch sein. «Einen gemeinsamen Nenner zu finden, dafür braucht es viel Zeit und gegenseitiges Verständnis», sagte er. Auch die Opposition im Bundestag forderte eine Entspannung mit Russland.
Putin erwartet Merkel am Dienstag in seiner Residenz im südrussischen Ferienort Sotschi am Schwarzen Meer. Zuletzt war Merkel im Mai 2015 in Moskau gewesen. Putin war im Oktober 2016 in Berlin zu Gesprächen über den Ukraine-Konflikt.
Deutsche Politiker hatten im Frühjahr ihre Kontakte nach Moskau verstärkt. Unter anderem waren Außenminister Sigmar Gabriel und CSU-Chef Horst Seehofer bei Putin zu Besuch. Auf der Agenda von Merkel und Putin am Dienstag standen die Konflikte in der Ukraine und Syrien.
Die Ukraine-Krise belastet das Verhältnis zwischen dem Westen und Russland seit drei Jahren. Ein unter Merkels Vermittlung verhandelter Friedensplan für die Ostukraine kommt nicht voran. Dort bekämpfen sich Regierungstruppen und prorussische Separatisten. Der Westen sieht Moskau in der Pflicht, Druck auf die Separatisten auszuüben, damit diese den Plan umsetzen. Zudem hatte die EU nach der russischen Annexion der Halbinsel Krim 2014 Sanktionen gegen Moskau verhängt.
In Berlin forderten Linke und Grüne Entspannungssignale. «Angela Merkel sollte in Sotschi einen Beitrag leisten, dass wir nicht weiter in die Eiszeit der Beziehungen zwischen Russland und Deutschland kommen, sondern ein neues Tauwetter befördern», sagte der Fraktionschef der Linken, Dietmar Bartsch, der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Dienstag).
Grünen-Außenpolitiker Jürgen Trittin schlug dem Blatt zufolge vor, Putin in eine Abrüstungsinitiative einzubinden. «Merkel sollte in Sotschi den ersten Schritt gehen und von dem ohnehin unnötigen Nato-Raketenschirm (in Osteuropa) Abstand nehmen», sagte er.
Die Nato hat als Reaktion auf die Ukraine-Krise Tausende Soldaten ins Baltikum und nach Polen verlegt. Russland kritisiert Nato-Aktivitäten an seinen Grenzen und sieht dies als Bedrohung seiner Sicherheit.
Für die Kanzlerin dient der Besuch auch der Vorbereitung des G20-Gipfels wichtiger Industrie- und Schwellenländer, der im Juli in Hamburg stattfindet. «In erster Linie ist es Merkel wichtig, vor dem G20-Gipfel gemeinsame Punkte mit Putin zu finden», sagte der Experte Below. Für den Kremlchef sei die Begegnung eine Chance, Russlands Außenpolitik zu erläutern. «Er kann zum Beispiel versuchen zu erklären, was Russland in Syrien macht.» Überraschend wäre Below zufolge etwa, wenn Putin konkrete Vorschläge für eine bessere Umsetzung des Friedensplans für die Ostukraine machen würde.
Russlands Botschafter in Berlin, Wladimir Grinin, sagte der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Dienstag), Merkels Besuch komme in einer «höchst konfrontativen Situation». Daher sei ihre Reise ein wichtiges Signal. (DPA)