Nach dem größten Erfolg ihrer Tennis-Karriere fuhr Überraschungssiegerin Laura Siegemund vorsichtig mit dem Sportwagen auf den Centre Court. Im Konfettiregen ließ sich die Lokalmatadorin bei ihrem schwäbischen Heimspiel mit der Trophäe feiern. Sensationell und nervenstark setzte sich die 29-Jährige mit 6:1, 2:6, 7:6 (7:5) im hochklassigen Endspiel gegen die favorisierte Kerber- und Scharapowa-Bezwingerin Kristina Mladenovic durch.
«Es ist unglaublich, ich bin ein bissschen perplex jetzt.
Ich glaube, heute steigt die Party des Jahres», sagte die Vorjahresfinalistin nach den spannenden 2:29 Stunden. «Es war ein unglaubliches Match. Ich weiß nicht, wie ich es geschafft habe.» Zuvor war für sie unter dem tosenden Applaus der 4500 Zuschauer eine traumhafte Woche zu Ende gegangen. Für ihren zweiten Turniersieg auf der WTA-Tour kassierte die Metzingerin neben dem Sportwagen ein Preisgeld von 107 036 Euro.
«Das ist nicht nur eine unglaubliche körperliche und spielerische Leistung, sondern vor allem auch mental», sagte Bundestrainerin Barbara Rittner im SWR. Mit ihrem erfrischenden Spielstil und als imposante Kämpferin lieferte Siegemund in ihrem zweiten Finale beim Porsche Grand Prix nacheinander eine beeindruckende Leistung ab.
Am Ende ließ sich die Außenseiterin auch nicht irritieren, als sie bei 5:4 wegen Zeitverzögerung eine zweite Verwarnung kassierte und damit ein Punkt an Mladenovic ging. Auch ein 1:4 im Tiebreak des packenden dritten Satzes machte sie wett. Nachdem ihr knapper Ball beim ersten Matchball gut gegeben wurde, ließ sie den Schläger fallen, die Tränen kamen. «Alter Schwede», sagte sie im Weggehen, nachdem sie sich die Glückwünsche von der Box abgeholt hatte.
Wohl so gut wie kaum jemand hatte mit der Schwäbin als umjubelter Protagonistin des mit Top-Ten-Spielerinnen gespickten Felds gerechnet. Nur dank einer Wildcard durfte die 29-Jährige mitspielen. Nun darf sie sich auch darüber freuen, am Montag voraussichtlich unter die besten 30 der Weltrangliste zu rücken.
Im Halbfinale am Samstag hatte sich Siegemund gegen die rumänische Topspielerin Simona Halep 6:4, 7:5 durchgesetzt. Die Weltranglisten-19. Mladenovic hatte mit dem 3:6, 7:5, 6:4 die Erfolgsserie von Maria Scharapowa beim Comeback nach dem Dopingvergehen beendet - das unerwartete Endspiel war perfekt.
Ganz in Schwarz gekleidet, mit schwarzem Stirnband und schwarzen Kniestrümpfen begann Siegemund erneut stark. Mit einer guten Länge in den Grundschlägen, mutigen Returns und eingestreuten Stoppbällen brachte sie die Französin aus dem Konzept. Immer wieder lockte sie ihre Kontrahentin ans Netz vor, um so zu punkten. Die eigentlich formstarke Mladenovic wirkte verunsichert.
Nach dem Satzausgleich verschwand Siegemund für kurze Zeit vom Centre Court und holte sich gleich das Break. Nach einem kuriosen Netzroller war der Vorteil jedoch wieder dahin. Ständig musste die Weltranglisten-49. einem Rückstand hinterherlaufen. Ein forscher Netzangriff und ein Return-Winner bescherten ihr dann das Break zum 5:4. Die Vorentscheidung war das aber noch immer nicht.
Vor zwölf Monaten hatte sich der schwäbische Wirbelwind, in der Jugend schon als neue Steffi Graf gefeiert, unerwartet als Qualifikantin bis ins Finale gespielt, das sie gegen Kerber verlor. Damit rückte sie in den Blickpunkt, nachdem sie ihre Karriere 2012 wegen des ausbleibenden Erfolgs beinahe schon beendet hätte. Ihr bedeute es «unglaublich viel» zu bestätigen, dass es im letzten Jahr «keine Eintagsfliege war», sagte Siegemund. Diesmal setzte sie sogar noch einen oben drauf. Die Zuschauer tobten - anders als bei Scharapowa, der sie höflich, aber distanziert begegnet waren. (DPA)