Baden-Württemberg verbietet religiöse Kleidung im Gericht

Eine Schülerin mit Kopftuch verfolgt eine Landtagsdebatte. Foto: Marijan Murat/Archiv
Eine Schülerin mit Kopftuch verfolgt eine Landtagsdebatte. Foto: Marijan Murat/Archiv

Als erstes Bundesland will Baden-Württemberg das Tragen religiös und politisch geprägter Kleidungsstücke im Gericht verbieten und dafür ein eigenes Gesetz erlassen. Das grün-schwarze Kabinett beschloss am Dienstag in Stuttgart einen Entwurf aus dem Haus von Justizminister Guido Wolf (CDU), der möglichst bis zur Sommerpause durch den Landtag soll. Das Verbot soll hauptamtliche Richter, Staatsanwälte, Rechtsreferendare und auch Rechtspfleger betreffen, wenn diese richterliche Aufgaben ausüben.

Das Verbot soll hauptamtliche Richter, Staatsanwälte, Rechtsreferendare und auch Rechtspfleger betreffen, wenn diese richterliche Aufgaben ausüben. Nicht tangiert sind Schöffen und ehrenamtliche Richter.

 

Die grün-schwarze Koalition hatte lange um den Gesetzentwurf gerungen. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte zunächst verfassungsrechtliche Bedenken. Er trägt das Vorhaben nun aber mit. «Ich finde, das ist ein guter Kompromiss. Wir können ihn belastbar begründen.» Kritiker rechnen allerdings mit Klagen betroffener Juristen - etwa von Richterinnen, die bei der Ausübung ihres Berufes aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen möchten. Das neue Gesetz bezieht sich nicht nur auf Kopftücher, sondern zum Beispiel auch auf die jüdische Kippa. Es richte sich nicht gegen eine einzelne Religion, stellten Kretschmann und Wolf klar.

 

Wolf sagte, in den vergangenen Jahren habe es zehn Rechtsreferendarinnen mit Kopftuch gegeben. Hintergrund für die geplante Regelung im Südwesten ist aber auch ein Fall aus Bayern: Das Augsburger Verwaltungsgericht hatte Ende Juni vergangenen Jahres ein vom Landesjustizministerium erlassenes Kopftuchverbot für Rechtsreferendarinnen für unzulässig erklärt, weil dieser Eingriff in die Religionsfreiheit nicht auf einem formellen Gesetz beruhte. Das Gericht gab damit einer muslimischen Jura-Studentin recht, die im sogenannten Vorbereitungsdienst bei der Justiz war.

 

Die baden-württembergische Landesregierung begründet das neue Gesetz mit dem Neutralitätsgebot der Justiz. Die Landesregierung geht davon aus, dass dieses Gebot mehr Gewicht hat als die Religionsfreiheit einzelner Betroffener. Es gehe in der Justiz um eine «unbedingte, absolute Neutralität», erklärte Justizminister Wolf. Die Situation sei daher nicht vergleichbar mit der in Schulen. Nach Angaben des Kultusministeriums in Stuttgart dürfen Lehrerinnen ein Kopftuch tragen, wenn der Schulfrieden dadurch nicht gefährdet wird. Dies geht auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zurück.

 

Schöffen halten die Ausnahmeregelungen für Kleidung im Gericht für falsch und erwägen eine Klage. «Wir können nicht hinnehmen, dass im Rahmen eines politischen Kompromisses Unterschiede zwischen haupt- und ehrenamtlichen Richtern gemacht werden sollen», sagte der Landeschef des Bundes ehrenamtlicher Richter, Robert Gunderlach, «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten» (Dienstag).

 

Der Rechtsexperte der SPD im Landtag, Sascha Binder, meinte: «Es ist bedauerlich, dass Grün-Schwarz sich bei einer Selbstverständlichkeit wie der Neutralitätspflicht bei Gericht fast ein Jahr im Streit verheddert hat.» FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke und sein Justizexperte Nico Weinmann sprachen von einem «faulen Kompromiss». Die Kritik an den Ausnahmeregelungen sei berechtigt. Es sei zu hoffen, dass die Koalition sie im Gesetzgebungsprozess noch streiche.

Der Justizexperte der Grünen, Jürgen Filius, entgegnete: «Ehrenamtliche Schöffen repräsentieren in einem Verfahren die Bevölkerung in ihrer Gesamtheit und in ihren Facetten. Sie sollen ja gerade ihren Erfahrungshorizont als Mitbürger in eine rechtliche Auseinandersetzung einbringen.» Die Einführung einer Amtstracht, um diese gesellschaftliche Vielfalt nach außen hin zu verbergen, widerspräche dem Schöffen-Prinzip, sagte der Grünen-Politiker.

 

Auch CDU-Rechtsexperte Bernhard Lasotta hat kein Verständnis für die Ausnahmeregelung. «Leider wurden durch das Veto des Herrn Ministerpräsidenten die ehrenamtlichen Richter und Schöffen von der sinnvollen Regelung ausgenommen. Dies ist weder sachgerecht noch schlüssig nachvollziehbar», sagte Lasotta «Heilbronner Stimme» und «Mannheimer Morgen» (Mittwoch). Die CDU-Fraktion trage die Regelung nur mit, «weil sich damit überhaupt etwas tut». (DPA/LSW)