Kurz vor der Präsidentenwahl hat ein Terrorverdächtiger mitten in Paris einen Polizisten getötet und zwei weitere Beamte verletzt. Die Polizei erschoss den Angreifer. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reklamierte die Attacke für sich. Die Bluttat belastet die Wahl an diesem Sonntag erheblich. Staatschef François Hollande kündigte für heute ein Treffen des Sicherheitskabinetts an. «Wir werden absolute Wachsamkeit zeigen, insbesondere im Hinblick auf den Wahlprozess», sagte er.
Der nach Medienberichten 39-jährige mutmaßliche Täter schoss am Donnerstagabend gegen 21.00 Uhr auf dem Prachtboulevard Champs-Élysées mit einer automatischen Waffe auf einen geparkten Mannschaftswagen der Polizei. Der Tatort wurde danach weiträumig abgesperrt. Die kilometerlange Straße ist üblicherweise ein Touristenmagnet, dort gibt es viele Geschäfte und Hotels.
Kanzlerin Angela Merkel kondolierte Hollande, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert auf Twitter mit. Ihr Mitgefühl gelte den Opfern und ihren Familien. Auch US-Präsident Donald Trump sprach Frankreich sein Beileid aus.
Hollande sagte, es spreche einiges für einen Terrorakt. «Wir sind überzeugt, dass die Spuren (...) terroristischer Art sind.» Die Anti-Terror-Abteilung der Pariser Staatsanwaltschaft übernahm die Ermittlungen.
Am Sonntag findet in Frankreich die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Die Abstimmung soll von mehr als 50 000 Polizisten und Soldaten geschützt werden. Im Land gilt nach einer beispiellosen Terrorserie mit über 230 Toten immer noch der Ausnahmezustand. Mehrere Kandidaten sagten laut Medienberichten am Freitag geplante Auftritte ab.
Die Lage vor der für ganz Europa wichtigen Wahl ist unübersichtlich. In Umfragen liegen der sozialliberale Kandidat Emmanuel Macron und die Rechtspopulistin Marine Le Pen an der Spitze. Macron tritt für Europa ein, Le Pen will hingegen den Euro in Frankreich abschaffen. Sie plädiert auch dafür, verurteilte ausländische Verbrecher auszuweisen. Offen ist laut politischen Beobachtern, ob die Hardlinerin von der Attacke auf die Polizisten politischen Nutzen ziehen kann. Zuletzt waren ihre Umfragewerte gesunken.
Bei dem Angreifer handele es sich um einen Kämpfer des IS, berichtete das IS-Sprachrohr Amak und benannte den Mann als Abu Jussuf al-Beldschiki («Der Belgier»). Bei ähnlichen Verlautbarungen wurden die Angreifer häufig «Soldaten» der Terrormiliz genannt. Die Nachricht konnte zunächst nicht unabhängig auf ihre Echtheit überprüft werden. Sie wurde aber über die Kanäle verbreitet, über die der IS in der Vergangenheit auch ähnliche Anschläge für sich beansprucht hat - etwa nach den Attacken in Ägypten oder London.
Der Sprecher des Innenministeriums, Pierre-Henry Brandet, sagte, nach ersten Erkenntnissen habe es nur einen Angreifer gegeben. Man könne aber nicht ausschließen, dass es einen oder mehrere Komplizen gebe. «Das ist natürlich ein Drama für die Polizei, ein Drama für unser Land.»
Polizisten durchsuchten noch am Abend die Wohnung des getöteten Angreifers im Umland von Paris, wie es aus Ermittlerkreisen hieß. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete unter Berufung auf eine Quelle im Umfeld der Ermittlungen, dass es gegen den Mann bereits eine Untersuchung von Anti-Terror-Ermittlern gegeben habe: Er habe die Absicht erkennen lassen, Polizisten zu töten.
Französische Sicherheitskräfte wurden bereits mehrfach attackiert. Im vergangenen Juni wurde ein Polizistenpaar im Umland von Paris ermordet. Vor einem Monat erschossen Soldaten am Pariser Flughafen Orly einen Mann, der sie zuvor angegriffen hatte.
Die französische Polizei hatte erst am Dienstag in Marseille zwei mutmaßliche Islamisten festgenommen, in deren Wohnung ein Waffenarsenal versteckt war. Laut Ermittlern drohte ein Anschlag unmittelbar vor der Wahl. Die Sicherheitsmaßnahmen für den Wahlkampf wurden verstärkt. Am Donnerstagabend traten die elf Kandidaten beim Fernsehsender France 2 nacheinander zu Kurzinterviews auf. Die entscheidende Stichwahl ist für den 7. Mai geplant. (DPA)