Wahlkampf vor Referendum in der Türkei geht in den Endspurt

Eine Junge Frau hält in Istanbul eine Flagge mit dem türkischen Wort «evet» («ja») in der Hand. Die Türken entscheiden über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems, das Staatspräsident Erdogan mehr Macht verleihen würde. Foto: Micha
Eine Junge Frau hält in Istanbul eine Flagge mit dem türkischen Wort «evet» («ja») in der Hand. Die Türken entscheiden über eine Verfassungsänderung zur Einführung eines Präsidialsystems, das Staatspräsident Erdogan mehr Macht verleihen würde. Foto: Micha

Einen Tag vor dem historischen Referendum in der Türkei geht der Wahlkampf in den Endspurt. Bis zum Abend können Befürworter und Gegner des von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebten Präsidialsystems um Stimmen werben.

Erdogan plant vier Wahlkampfauftritte in der Provinz Istanbul, um die Türken für ein «Ja» bei der Volksabstimmung zu gewinnen. Auch das «Nein»-Lager plant letzte Kundgebungen. Erdogan hatte am Freitag mit Blick auf einen von ihm erwarteten Sieg beim Referendum gesagt: «Das wird eine historische Revolution.»

 

An diesem Sonntag sind 55,3 Millionen Wahlberechtigte in der Türkei zur Teilnahme an dem Referendum aufgerufen. Im Ausland - wo zusätzlich 2,9 Millionen wahlberechtigte Türken registriert sind - wurde bereits gewählt. Das Präsidialsystem würde Erdogan deutlich mehr Macht verleihen. Gegner der Verfassungsreform warnen vor einer Ein-Mann-Herrschaft. Umfragen - die allerdings nicht besonders zuverlässig sind - sagen ein knappes Rennen voraus.

 

Der Vertreter der größten Oppositionspartei CHP in der türkischen Wahlkommission kritisierte einen unfairen Wahlkampf von Erdogans AKP. Die AKP missbrauche Staatsmittel, um für das Präsidialsystem zu werben, sagte der CHP-Politiker Mehmet Hadimi Yakupoglu der Deutschen Presse-Agentur. «Die AKP konnte damit ungehemmt Propaganda machen. Sie konnte die Flugzeuge und Autos des Staates nutzen. Sie haben nichts aus eigener Tasche bezahlt, sondern mit meinen Steuern.»

 

Der Chef der OSZE-Wahlbeobachter, Michael Link, sagte der «Augsburger Allgemeinen»: «In der Tat haben wir eine klare Benachteiligung jener Medien beobachtet, die zur Nein-Seite gehören. Zeitungen, Sender und Internetportale, die Erdogans Partei oder der Regierung nahestehen, werden bevorzugt, bekommen deutlich mehr Sendezeit. Außerdem haben die Anhänger der Nein-Kampagne oft große Schwierigkeiten, ihre Veranstaltungen regulär abzuhalten.»

 

Erdogan hatte am Freitag Kritik an den OSZE-Wahlbeobachtern geäußert. Sie hatten in ihrem Zwischenbericht angemerkt, «dass sich die Unterstützer der «Nein»-Kampagne mit Kampagnen-Verboten, Polizeieingriffen und gewalttätigen Handgemengen konfrontiert sehen». Erdogan sagte an die Adresse der OSZE: «Kenne erstmal Deine Grenzen.» Er fügte hinzu: «So einen Bericht kannst Du nicht abgeben. Aber ob Du ihn abgibst oder nicht: Am Sonntagabend wird dieses Volk mit Gottes Hilfe mit einem «Ja» tun, was nötig ist.»

 

Das Referendum in der Türkei findet im Ausnahmezustand statt, unter dem die Versammlungsfreiheit eingeschränkt ist und der noch bis zum kommenden Mittwoch andauert. Erdogan hat bereits angedeutet, dass der Ausnahmezustand - den er nach dem Putschversuch im Juli 2016 ausgerufen hatte - erneut verlängert werden könnte. (DPA)