Nach den verheerdenen Anschlägen in Ägypten mit Dutzenden Toten hat die Terrormiliz IS mit neuer Gewalt gegen Christen gedroht. Die «Kreuzzügler» und «Ungläubigen» würden mit dem Blut ihrer Söhne bezahlen, hieß es in einer Mitteilung im Namen des Islamischen Staates, die am Sonntag über IS-nahe Kanäle veröffentlicht wurde. Die Echtheit konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Bei den schwersten Terrorangriffen auf die christliche Minderheit in Ägypten seit Jahren waren am Sonntag Dutzende Gläubige getötet worden.
Selbstmordattentäter rissen mindestens 45 Menschen bei Anschlägen auf zwei koptische Kirchen im Norden des Landes mit in den Tod. Die Terrormiliz IS reklamierte die Taten, bei denen über 110 weitere Menschen verletzt wurden, für sich. Die Anschläge lösten international Bestürzung aus.
Das Oberhaupt der koptisch-orthodoxen Kirche, Papst Tawadros II., entging dem Terror in Alexandria unverletzt. Ende April will Papst Franziskus Kairo besuchen. «Wir beten für die Opfer des Attentats», sagte er beim Angelus-Gebet in Rom.
Am Morgen des Palmsonntags zündete zunächst ein Sprengsatz in der koptischen Kirche St. Georg in der nordägyptischen Stadt Tanta. Dort wurden mindestens 29 Menschen getötet und 71 verletzt, wie das Staatsfernsehen berichtete. An dem christlichen Feiertag war die Kirche zur Messe gut besucht. Nach der Explosion waren im Internet und im Fernsehen Videos zu sehen, die den blutverschmierten Boden und Chaos in dem Gotteshauses zeigten.
Wenige Stunden später sprengte sich den Angaben zufolge ein zweiter Selbstmordattentäter außerhalb St. Markus Kathedrale in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria in die Luft. Hier seien wenigstens 16 Menschen getötet und weitere 41 verletzt worden, teilte das Gesundheitsministerium in Kairo mit.
Nach Darstellung des Innenministerium hielten Sicherheitskräfte den Mann zuvor davon ab, in die Kirche einzudringen, in der sich Papst Tawadros II. aufhielt und in der der religiöse Führer auch seinen Sitz hat. Ein veröffentlichtes Überwachungsvideo zeigte einen Mann mit umgebundenen Pullover vor dem Gotteshaus, der offensichtlich von Sicherheitskräften gebeten wird, durch einen Metalldetektor zu gehen. Kurz darauf erschüttert eine schwere Explosion den Ort.
Der IS reklamierte die Anschläge über sein Sprachrohr Amak für sich. Die Mitteilung konnte zunächst nicht unabhängig auf Echtheit überprüft werden. Die Dschihadisten, deren Ableger im Norden der ägyptischen Sinai-Halbinsel aktiv ist, hatten sich schon im Dezember zu einem ähnlichen Anschlag bekannt. Damals waren fast 30 Menschen durch einen Selbstmordattentäter in einer Kirche in Kairo getötet worden. In Propagandavideos hatte der IS zuletzt Angriffe auf Christen angekündigt.
Christen machen in Ägypten zehn Prozent der etwa 94 Millionen Einwohner aus. Sie können ihre Religion weitgehend frei ausüben und leben größtenteils friedlich mit der muslimischen Bevölkerungsmehrheit zusammen. Es gibt allerdings vereinzelt Spannungen, vor allem in den ländlichen Gebieten.
Das Land steht nach den Anschlägen unter Schock: Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der den Opfern sein Mitgefühl aussprach, ließ die Sicherheitsvorkehrungen auch mithilfe der Armee im ganzen Land verstärken. Es wurde eine dreitägige Staatstrauer angeordnet.
Politiker und religiöse Führer weltweit verurteilten die Anschläge. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach von einem feigen Mord. Bundeskanzlerin Angela Merkel kondolierte dem ägyptischen Präsidenten und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) forderte, die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden.
Die Europäische Union sicherte Ägypten Solidarität im Kampf gegen den Terror zu. Russlands Präsident Wladimir Putin betonte, wie wichtig der gemeinsame Kampf gegen den Terrorismus sei. US-Präsident Donald Trump sprach Präsident Al-Sisi das Vertrauen aus, die Situation «angemessen» zu behandeln.
Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte: «Nach allem, was wir wissen, handelte es sich erneut um Anschläge, mit dem die christliche Minderheit in Ägypten eingeschüchtert, demotiviert und zur Emigration getrieben werden soll. Es soll unmittelbar vor dem Besuch von Papst Franziskus Hass gesät werden.» Tawadros II. verurteilte die Gewalt als «frevelhaft».
Mit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi 2013 hatten die Angriffe auf Christen in dem Land zeitweise zugenommen. Unter Mursis Nachfolger Al-Sisi beruhigte sich die Lage wieder etwas. (DPA)