Zerstrittene Eltern verursachen Beratungsstellen viel Arbeit

Wenn Eltern nach einer Trennung keinen fairen Umgang mehr pflegen, leiden vor allem die Kinder. Laut Experten ist dies immer öfter der Fall. Foto: Andreas Gebert/dpa
Wenn Eltern nach einer Trennung keinen fairen Umgang mehr pflegen, leiden vor allem die Kinder. Laut Experten ist dies immer öfter der Fall. Foto: Andreas Gebert/dpa

Familienberatungsstellen haben immer häufiger mit extrem streit- und rachsüchtigen Elternpaaren zu tun, die vor der Trennung stehen. In diesen Fällen herrsche ein vergiftetes Klima, sagte die Leiterin der Erziehungsberatungsstelle des Bistums Osnabrück, Birgit Westermann. Bei etwa zehn Prozent der vor der Trennung stehenden Paare handele es sich um solche Extremfälle. Deren Zahl sei in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. «Eltern können sich so zerstreiten, weil es um existenzielle Fragen geht», sagte Westermann.

Für die Kinder sei diese Situation eine große psychische Belastung, weil sie sich eigentlich mit beiden Elternteilen identifizieren müssten, um sich geborgen zu fühlen.

 

Diesen Trend aus Osnabrück bestätigen Experten bundesweit. Fachleute bezeichnen diese extreme Form des Streits unter Paaren als hochstrittige Konflikte, sagte dazu die Psychologin Gesine Götting, Vorstandsmitglied der Bundeskonferenz für Erziehungsberatung (bke). Für die Kinder sei das eine schwere Entwicklungsbelastung. Von Scheidungskindern sei aus der psychologischen Forschung bekannt, dass sie Beziehungen häufig zu früh eingingen und mit zu hohen Erwartungen, oder dass sie sich nicht richtig zu Beziehungen trauen. Das treffe für diese Kinder verstärkt zu.

 

Typische Situationen seien zum Beispiel, wenn ein Partner sein Kind nach einem Wochenende mit dem anderen Partner ausfrage, sagte Westermann. «Wenn die Mutter fragt, wie war es bei Papa. In einer Art und Weise, die unterstellt, es kann nur schrecklich gewesen sein, oder es wird unterstellt, das Kind habe etwas gemacht, womit die Mutter nicht einverstanden war, muss sich das Kind schon fast für den Vater entschuldigen.» Solche Situationen seien «bösartig» für die Kinder.

 

Auch nach seinem Eindruck habe die Schärfe bei Streits in den vergangenen Jahren zugenommen, sagte der Berliner Familienrichter Michael Grabow. Die Eltern würden dem Ex-Partner nicht den weiteren Umgang mit dem Kind gönnen. Zum Teil werde der Streit um das Umgangsrecht benutzt, um dem anderen das Leben schwer zu machen oder Maximalforderungen zu stellen. Diese würden vor allem dem eigenen Interesse dienen und nicht dem des Kindes. «Das ist sowieso ein Merkmal der Hochstrittigkeit, dass die Perspektive des Kindes keine Rolle mehr spielt, sondern dass man sich total in die Auseinandersetzung mit dem anderen Elternteil hineinsteigert», sagte Grabow.

 

Der Großteil der Ratsuchenden in den Hochkonflikt-Fällen werde von den Familiengerichten zu den Beratungsstellen geschickt, sagte der Leiter des Referats für Ehe-, Familien, Lebens- und Erziehungsberatung im Bistum Osnabrück, Bernhard Plois. Doch Hilfe sei nicht in allen Fällen möglich, die Erfolgsquote liege nur bei einem Drittel.

 

Und auch in diesen Fällen sei das Ergebnis weit davon entfernt, dass sich die Eltern wieder mit gegenseitigem Respekt begegneten, sagte Westermann. Das Ergebnis seien oft Regeln, etwa zu Besuchsrechten, festgehalten in Vertragsform.

 

Die Eltern in diesen Fällen zeichneten sich durch eine ausgeprägte Anspruchshaltung aus, sagte Plois. Von dem Partner werde erwartet, dass er sich ändern solle, weil man von sich selber glaube, man sei in Ordnung. Das Kind solle «bitteschön funktionieren» und nicht signalisieren, dass es mit der Situation nicht fertig werde. Es solle sich «super erwachsen» verhalten. Und von dem Berater werde erwartet, dass er für einen selbst Partei ergreife und den Partner umerziehe.

 

Obwohl diese Hochstrittigkeits-Fälle vom Anteil her nur einen kleinen Teil der Arbeit der Beratungsstellen ausmachen, stellten sie einen großen Aufwand für die Berater dar, sagte Westermann. «Ein einziger solcher Fall macht so viel Arbeit wie zwei bis drei andere Fälle», sagte sie. (DPA)