In der Union wird die Spähaktion des türkischen Geheimdiensts in Deutschland und die Übergabe eines daraus entstandenen Dossiers als gezielte Provokation gesehen. Dies sei «unerträglich und nicht hinnehmbar», sagte der innenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Stephan Mayer (CSU), der «Passauer Neuen Presse». «Offenbar will die türkische Regierung durch das offene Einräumen der Spionagetätigkeit die Bundesregierung bewusst provozieren und herausfordern.
Denn es ist nicht davon auszugehen, dass die türkische Seite so naiv war, davon auszugehen, dass das Dossier nicht ans Licht der Öffentlichkeit kommt.»
Der türkische Geheimdienst MIT hatte dem Bundesnachrichtendienst im Februar eine Liste mit mehr als 300 Namen angeblicher Anhänger der Gülen-Bewegung und 200 ihr nahestehender Institutionen überreicht, offenbar in der Hoffnung auf Unterstützung. Die türkische Regierung macht die Gülen-Bewegung für den gescheiterten Putschversuch vom vergangenen Juli verantwortlich.
Auf der Liste steht offenkundig auch die SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe, Michelle Müntefering, die Frau des früheren SPD-Vorsitzenden Franz Müntefering. Außerdem wird die Berliner Landesparlamentarierin Emine Demirbüken-Wegner genannt, wie deren CDU-Landesvorsitzende Monika Grütters sagte.
Die Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion, Cemile Giousouf (CDU), sprach von «Stasi-Methoden»: «Die Spionage-Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes gegen deutsche Politiker sind türkische Stasi-Methoden, die wir nicht akzeptieren», sagte Giousouf der «Rheinischen Post». Sie erwarte, «dass es zu einer strafrechtlichen Verfolgung dieser geheimdienstlichen Spionage kommt, wie es unser Gesetz vorschreibt». Es sei gut, dass der BND die Personen, die auf der Liste des türkischen Geheimdienstes stehen, gewarnt habe.
Der CSU-Innenexperte Hans-Peter Uhl sagte dem «Handelsblatt»: «Zu glauben, dass die deutschen Dienste dem türkischen Dienst hierbei Amtshilfe leisten, zeigt die Borniertheit der türkischen Regierung.» Unter Präsident Recep Tayyip Erdogan entferne sich die Türkei «in Sieben-Meilen-Stiefeln» von rechtsstaatlichen und demokratischen Prinzipien. «Das Verfassungsreferendum ist nichts anderes als ein Ermächtigungsgesetz. Die Ähnlichkeiten zum Führerprinzip Adolf Hitlers sind beängstigend», sagte Uhl.
Zuvor hatte Erdogan die Bundesregierung mehrmals mit Nazi-Vergleichen geschmäht. Dabei ging es um die Weigerung deutscher Kommunen und Veranstalter, türkischen Politikern Hallen für Wahlkampfauftritte zur Verfügung zu stellen. Diese wollten bei Deutschtürken für das umstrittene Verfassungsreferendum werben, das Erdogan deutlich mehr Macht verleihen würde. Deutschtürken können darüber derzeit auch in der Bundesrepublik abstimmen. Erdogan hatte die Verweigerung von Auftrittsorten als «Nazi-Methode» bezeichnet. (DPA)