Ein unvergesslicher Empfang sollte es werden, und prompt wurde er begrüßt wie ein Popstar. Als Bastian Schweinsteiger das Terminal 5 im Flughafen Chicago O'Hare betritt, wird er mit Sprechchören empfangen. «Oh my god! Schweinsteiger!» Dicht drängen sich Hunderte Fans, Trommeln werden geschlagen. Im hochseriösen dunklen Anzug posiert Schweinsteiger strahlend mit Fans für Selfies. Ein großes Banner zeigt ein Bild des Weltmeisters: «Fußballgott». Schweinsteiger ist in den USA angekommen.
Mit viel Wohlwollen war sein Wechsel nach Amerika kommentiert worden, sei Schweinsteiger doch einer der ganz Großen, und zum Ende der Karriere sei das bestimmt der richtige Schritt.
«Ich kann keine Titel garantieren», sagte Schweinsteiger am Abend auf der Pressekonferenz, bevor er den Fotografen sein knallrotes Trikot mit der Nummer 31 präsentierte. «Aber ich will versprechen, dass ich alles dafür tun werde, eines Tages dahin zu kommen.» Er habe nach einem Gespräch mit Trainer Veljko Paunovic gespürt, «dass hier etwas vorangehen soll. Das ist die Herausforderung, die will ich annehmen», meinte der 32-Jährige. Auch der Coach ist von der «Weltklasse-Person» Schweinsteiger begeistert: «Bastian kann eine Ikone der gesamten MLS werden.»
Chicago Fire setzt große Hoffnungen in den Superstar. «Wir erwarten von ihm zu gewinnen, in allen Lebensbereichen. Bastian hat gezeigt, dass er gewinnt und das ist es, was Champions tun», sagte Clubchef Nelson Rodriguez am Mittwoch in einem Interview von Eurosport.de. Der Deutsche werde «einen dauerhaften Einfluss auf den Club haben - auf dem Feld und abseits davon. Zum Beispiel dabei, eine Kultur zu entwickeln, die wir in unserem Club anstreben.»
Nicht einmal 24 Stunden nach seiner Landung trainierte Schweinsteiger mit seinen neuen Mannschaftskollegen. Mit einer grauen Kapuzen-Trainingsjacke und einer weißen Mütze mit rotem Club-Logo bestritt der 32-Jährige seine erste Übungseinheit.
Bei Manchester United und mit dem kantigen José Mourinho lief es zuletzt nicht wirklich gut. Ein Charaktertest sei das gewesen, sagte Schweinsteiger am Dienstag der «New York Times» - aber er bereue nichts. «Ich bin nicht wirklich dazu veranlagt, negativ zu denken.»
Zunächst ein Jahr will er nun in Chicago bleiben und dabei gutes Geld verdienen. Die Führung seines neuen Clubs, der eher im Mittelfeld der Eastern Conference dümpelt, verspricht sich von dem berühmten Spieler eine Initialzündung für das ganze Team. Aber es gibt auch kritische Stimmen: Schweinsteiger sei alt, langsam, Chicago bräuchte eher auf anderen Positionen Verstärkung.
«Niemals», sagt Schweinsteiger selbstbewusst, «niemals habe ich an meinen Qualitäten gezweifelt. Lasst mich zeigen, was ich kann, und ich werde Ergebnisse liefern.» Selbst wenn er zuletzt allein habe trainieren müssen - er habe es immer und immer geliebt, einfach aufs Feld zu gehen. Am Ende scheint die Wahrheit schlicht: «Ich bin ein Fußballspieler.»
Sein erstes Spiel in der nordamerikanischen Profiliga Major League Soccer (MLS) könnte er nun bereits an diesem Samstag haben. Um 14.00 Uhr Ortszeit (21.00 Uhr MESZ) spielt sein Team gegen Montreal Impact.
Die MLS unternimmt derzeit einiges, ihren Ruf zu polieren und zu wachsen, auch wenn Fußball im Land des Base- und Basketball nach wie vor nur eine Nebenrolle spielt. Schweinsteiger, der Weltmeister, soll helfen das zu ändern. Die Erwartungen sind groß.
Schon 2014, bei einem Besuch mit dem FC Bayern, habe er die MLS total spannend gefunden, sagt Schweinsteiger. Die Atmosphäre, die Professionalität, «das ist ein richtiges Event». Auch auf Chicago, die Metropole am Lake Michigan mit ihren vielen hochkarätigen Teams in Basketball, Eishockey und Baseball, freue er sich sehr.
Angebahnt wurde der Wechsel offensichtlich schon 2016. Fire-Trainer Veljko Paunovic sei nach England gekommen, man habe sich in einem Restaurant getroffen. Dessen Ideen für die Spielanlage, die Ansprüche an das Team: «Paunovic erinnert mich an Pep Guardiola», sagt Schweinsteiger. «Ich war wirklich beeindruckt.»
Auch privat ist Chicago ein Neuanfang. Der «Gala» sagt seine Frau Ana Ivanovic, es sei der allererste Besuch in Chicago, und jetzt müsse man erstmal ein Haus finden: «Wir sind schon ganz aufgeregt. Das wird unser erstes richtiges Zuhause.» Gerüchte über eine Schwangerschaft kommentierte der Ex-Tennisprofi so: «Meine Karriere war lang und sehr hart. Ich denke, es ist wichtig, dass ich auch eine Zeit für mich selber habe. Aber auf jeden Fall möchte ich in der Zukunft Kinder haben.»
Schweinsteiger sagt, er müsse niemandem irgendwas beweisen, höchstens sich selber. Er wolle nun seinen Beitrag leisten und Chicago möglichst gut helfen. Sein Weg wird mit gewaltiger Aufmerksamkeit begleitet werden. Ein einsamer Ritt in den Sonnenuntergang zum Karriere-Ausklang sieht anders aus. (DPA)