Handelsstreit: G20-Staaten ringen um Kompromiss mit den USA

Die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 kommen in Baden-Baden zusammen. Foto: Franziska Kraufmann
Die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 kommen in Baden-Baden zusammen. Foto: Franziska Kraufmann

Der Abschottungskurs der USA gefährdet eine gemeinsame Handelspolitik der Top-Wirtschaftsmächte. Bei Beratungen in Baden-Baden rangen die Finanzminister und Notenbankchefs der führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) mühsam um einen Kompromiss. Weil die USA ihre Wirtschaft auf Kosten der Partner ankurbeln wollen, war zunächst ungewiss, ob sich die G20-Gruppe auf eine einvernehmliche Erklärung zur Handelspolitik einigen kann. Gastgeber Deutschland rechnete trotz der Differenzen mit einer Lösung.

 

«Ich bin zuversichtlich, dass wir in einer nicht einfachen Diskussion mit auch neuen Partnern doch zu einem guten Ergebnis kommen», sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) zum Auftakt des zweitägigen Treffens. «Die gemeinsame Überzeugung ist, dass wir auf diese Art unseren Beitrag leisten können, um die Weltwirtschaft einigermaßen auf stabilem Kurs zu halten.»

 

In ihrer gemeinsamen Abschlusserklärung bekennt sich die G20-Gruppe üblicherweise zum Freihandel und erteilt wirtschaftlicher Abschottung eine Absage. Der seit knapp zwei Monaten amtierende US-Präsident Donald Trump jedoch hatte mehrfach betont, er werde in seiner Handels- und Steuerpolitik amerikanische Interessen über alles stellen.

 

«Nach meinen Treffen mit meinen neuen Kollegen aus den USA und China bin ich zuversichtlich, dass wir auch in schwierigen Zeiten die Dinge voranbringen können», bekräftigte Schäuble.

 

Sein US-amerikanischer Amtskollege Steven Mnuchin habe ihm bei einem Vier-Augen-Gespräch am Vortag in Berlin versichert, die USA seien «für Freihandel und auch sehr dafür, dass wir das in Baden-Baden so gemeinsam festlegen». Schäuble erklärte, es gehe nun «um die richtige Formulierung, wie wir die Offenheit des Welthandels im Kommuniqué formulieren».

 

Im Entwurf der Baden-Badener Erklärung fehlte eine Passage zum Thema Protektionismus. Dagegen war bei den meisten anderen Themen nach Angaben aus Verhandlungskreisen schon vor Beginn der Beratungen auf Ministerebene Einigkeit erzielt worden.

 

Beim Thema Handel geht es dem Vernehmen nach um Nuancen, die vor allem den Amerikanern wichtig sind: Ob die globalen Handelsbeziehungen auf Basis starrer Regeln organisiert sind wie sie von Institutionen wie der WTO definiert werden oder auf «fairen, ausgewogeneren» internationalen Vereinbarungen. Möglich ist, dass das Handelsthema zunächst ausgeklammert wird und erst bis zum Gipfel der G20-Staats- und Regierungschefs Anfang Juli in Hamburg geklärt wird.

 

Schäuble hatte wie Bundesbank-Präsident Jens Weidmann bereits vor dem G20-Treffen deutlich gemacht, dass Deutschland nichts von wirtschaftlicher Abschottung hält. In einem Interview mit dem «Badischen Tagblatt» bekräftigte Weidmann: «Ich bin jedenfalls davon überzeugt, dass Abschottung und Protektionismus die falschen Antworten sind, denn sie gefährden Wachstum und Wohlstand insgesamt.»

 

Die Sorge um die internationalen Handelsbeziehungen und Bedenken, die Amerikaner könnten die nach der Finanzkrise 2007/2008 international verschärften Regeln für Banken einseitig wieder lockern, überlagerten die offizielle Agenda, die Deutschland als G20-Gastgeber gesetzt hat: Stärkung der Widerstandskraft der Volkswirtschaften etwa durch ein tragfähiges Schuldenniveau, Investitions-Partnerschaften mit Afrika, Chancen und Risiken der Digitalisierung, Kampf gegen Geldwäsche.

 

Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Banken (BdB), Hans-Walter Peters, mahnte, gemeinsame Regeln für die Finanzmärkte nicht zu opfern, «denn nur international abgestimmt lassen sich Regeln wirksam und ohne Wettbewerbsverzerrungen umsetzen». Schäuble zerstreute Sorgen, die USA könnten sich von gemeinsamen Standards bei der Finanzmarktregulierung verabschieden: «Diese Sorge ist nicht groß.»

 

Die Industrieländerorganisation OECD rief die Staatengemeinschaft zu mehr Reformen für Wachstum und Beschäftigung auf. «Die Regierungen können es sich nicht leisten, in ihren Reformanstrengungen nachzulassen, wenn sie die anhaltende Wachstumsschwäche, mit der sich viele von ihnen konfrontiert sehen, überwinden ... wollen», mahnte die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am Freitag. Nur so könne sichergestellt werden, dass die überwiegende Mehrheit der Bürger vom Wachstum profitieren könne.

 

Am Rande des Treffens in Baden-Baden kritisierten Kirchen und das globalisierungskritische Netzwerk Attac die Weltfinanzpolitik. Sie forderten eine gerechtere Steuerpolitik und Schuldenerleichterungen. Der Tagungsort im historischen Kurhaus wurde streng abgeschirmt. (DPA)