Das Schock-Geständnis von Herne: Aus purem Frust über private Rückschläge soll Marcel H. plötzlich Mordlust entwickelt haben. Der Teenager hat die Tötung des 9-jährigen Nachbarsjungen Jaden und eines 22 Jahre alten Bekannten bei der Polizei «eiskalt und emotionslos» zugegeben, wie der Leiter der zuständigen Mordkommission, Klaus-Peter Lipphaus, am Freitag in Dortmund sagte. Am Donnerstag hatte Marcel H. sich in Herne gestellt, das Ende einer dreitägigen Großfahndung.
«Wir haben schon viel Elend miterleben müssen, aber so ein Mordfall geht unter die Haut.»
Laut Vernehmung waren die Auslöser eine Absage auf eine Bewerbung als Zeitsoldat der Bundeswehr, der drohende Verlust von Internetanschluss und Online-Videospielen sowie zwei gescheiterte Suizide. Dies alles habe Marcel H. bei der Polizei geschildert, sagte Lipphaus: «Ich habe an wenig von dem, was er sagt, Zweifel. In allen Bereichen kann man ihm aber nicht trauen.»
Der Mann trete in Vernehmungen «eiskalt» auf. «Er diktiert den Kollegen.» Der Staatsanwalt Danyal Maibaum sagte, der 19-Jährige habe aus Mordlust und heimtückisch gehandelt. Die Ermittler glauben allerdings nicht, dass er noch mehr Menschen tötete.
Marcel H. habe sich auf der Flucht nach der Tötung von Jaden am Montag kurz in einem Waldstück versteckt und dann noch am selben Abend Unterschlupf bei einem arglosen Mitschüler vom Berufskolleg gefunden. Man habe noch gemeinsam gegessen und Computerspiele gespielt.
Am nächsten Morgen habe der Bekannte ihn aber zur Rede gestellt, weil er von der Fahndung im Mordfall erfahren habe. Daraufhin soll Marcel H. ihn mit 68 Messerstichen getötet und auch Gewalt gegen den Hals ausgeübt haben. Jaden soll er zuvor mit 52 Stichen umgebracht haben.
Der Verdächtige habe sich den vernehmenden Ermittlern sehr geöffnet, sagte Lipphaus. «Er redet viel.» Der junge Mann sei demnach in der Vernehmung nicht nur von gescheiterten Bewerbungen - unter anderem bei der Bundeswehr - frustriert gewesen. Die Absage der Truppe traf nach dpa-Informationen in den Wochen vor der Tat ein.
Der 19-Jährige war außerdem dabei, mit den Eltern in eine Nachbarstadt umzuziehen. Deswegen habe er befürchtet, seinen Online-Zugang zu verlieren. Auch die Befürchtung, «keine Computerspiele im Internet mehr spielen zu können», habe ihn zu Suizidgedanken getrieben, sagte Lipphaus.
Zwei Versuche einer Selbsttötung seien am Montag gescheitert, da habe er beschlossen, noch am selben Abend einen Mord zu begehen - und bei den Nachbarn geklingelt. Er und der kleine Jaden seien «langjährig bekannt» gewesen. Er soll das Kind unter einem Vorwand in den Keller gelockt und umgebracht haben. Die Polizei schließt dabei ein Sexualdelikt aus.
Nach der Tat waren Bilder des 19-Jährigen aufgetaucht, auf denen er mit Jadens Leiche posierte. Den Ermittlern zufolge gibt der Verdächtige an, er habe die Bilder an Bekannte verschickt - aber nicht für ein größeres Publikum hochgeladen.
Durch das Hochladen der Bilder durch Unbeteiligte seien die Ermittlungen erschwert worden, daher werde geprüft, inwieweit dies strafrechtlich zu ahnden sei, kündigte die Staatsanwaltschaft an.
Nach der zweiten Tat hat der Verdächtige nach Angaben der Polizei die Wohnung des 22-Jährigen wegen der Fahndung zunächst nicht verlassen. Zwei Tage habe er mit der Leiche des zweiten Opfers verbracht, bevor er sich am Donnerstagabend in einem Imbiss stellte. Warum er sich gestellt habe? Der Mann habe offensichtlich keine Alternative mehr gesehen, als sich das Leben zu nehmen oder sich zu stellen.
Die Schuldfähigkeit von H. ist noch unklar. Dies werde nun geprüft, sagte Staatsanwalt Maibaum. Der Verdächtige erinnere sich aber sehr detailliert an die Taten und sei intelligent. (DPA)