Der Europäische Gerichtshof entscheidet heute darüber, ob bestimmte Flüchtlinge das Recht auf eine legale Einreise in die EU haben. Konkret geht es um die Frage, ob Botschaften von EU-Staaten in unsicheren Ländern verfolgten Menschen ein Visum aus humanitären Gründen erteilen müssen. Wäre dies uneingeschränkt der Fall, könnten zum Beispiel vor Gewalt und Folter fliehende Syrer im Libanon oder sogar in ihrem Heimatland selbst eine Einreisegenehmigung für einen EU-Staat bekommen. Dies ist bislang in der Regel nicht möglich.
In dem Ausgangsverfahren für das EuGH-Urteil geht es um ein syrisches Ehepaar, das mit seinen drei kleinen Kindern aus dem lange umkämpften Aleppo nach Europa fliehen wollte. Es beantragte dazu im libanesischen Beirut Visa. Das belgische Ausländeramt lehnte die Anträge ab.
Die Behörde argumentierte, dass sich die Familie länger als die mit einem Visum bewilligten 90 Tage in Belgien aufhalten wollte - schließlich wollten die Syrer dort Asylanträge stellen. Zudem seien EU-Staaten nicht verpflichtet, alle Menschen aufzunehmen, die eine katastrophale Situation durchlebten, hieß es.
Der zuständige EuGH-Generalanwalt widersprach dieser Argumentation in einem aufsehenerregenden Gutachten. Er schrieb, die Erteilung nationaler Visa werde von einer EU-Verordnung geregelt. Damit gelte auch die Grundrechtecharta der Union. Die wiederum schreibt das Recht auf Asyl fest und verbietet Folter und andere unmenschliche und entwürdigende Behandlung - reale Gefahren für die syrische Familie, unterstrich der Gutachter. Damit müsse ein EU-Staat in solchen Fällen Visa zur Einreise vergeben und Schutzsuchenden die Möglichkeit geben, in Europa Asyl zu verlangen.
Die endgültige Entscheidung liegt nun beim Gericht. «Wenn der Gerichtshof der Meinung des Generalanwalts folgt, dann explodiert eine Bombe», warnte der auf Migrationsrecht spezialisierte Juraprofessor Philippe De Bruycker von der Freien Universität Brüssel jüngst. Das Gutachten stelle das Grundprinzip in Frage, dass Migranten es bis nach Europa schaffen müssen, um dort Asyl zu beantragen. (DPA)