Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) lässt nicht locker: Nach den vom Land wegen Luftverschmutzung angekündigten Fahrverboten für viele Diesel in Stuttgart von 2018 an fordert die DUH die komplette Verbannung dieser Fahrzeuge. Fast alle Diesel müssten in der Innenstadt verboten werden - und das nicht nur an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung, betonte DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch am Freitag in Stuttgart. Nur so ließen sich die EU-Grenzwerte für Stickstoffdioxid und Feinstaub einhalten. Darauf hätten die Anwohner ein Recht.
Ausnahmen müsse es etwa für Rettungsdienste und auch Handwerker geben. Auch dürften die Diesel zugelassen werden, die ehrlich die strengste Abgasnorm Euro 6 einhielten. «Aber ehrlich. Nicht nur auf dem Prüfstand, sondern auf der Straße», sagte Resch. Die DUH habe in den vergangenen Jahren 55 Modelle verschiedener Hersteller getestet. Nur eins habe die Stickoxidgrenzwerte auf der Straße erfüllt. Teilweise seien Euro-6-Autos auf der Straße schmutziger als welche mit nur Euro 4 oder 5.
Die Landesregierung hatte beschlossen, dass Dieselautos, die nicht die Euro 6 erfüllen, an Tagen mit hoher Schadstoffbelastung in Teilen der Innenstadt ab 2018 Fahrverbot erhalten. Die DUH klagt laut Resch in 16 deutschen Städten auf Einhaltung der EU-Grenzwerte. Allein in Stuttgart erfüllen mehr als 70 000 Diesel nicht die Norm.
Trotz der absehbaren Fahrverbote droht Land und Stadt weiterer juristischer Ärger. «Diese Maßnahme wird nicht ausreichen, um dauerhaft die Grenzwerte einzuhalten», sagte der Stuttgarter Rechtsanwalt Roland Kugler dem «Spiegel». Für Anwohner des höchstbelasteten Neckartors hatte er das Land in einen Vergleich gezwungen. Das Land sagte zu, bei anhaltend hohen Schadstoffwerten dort 20 Prozent weniger Autos fahren zu lassen. Er werde die Zwangsvollstreckung des Vergleichs beantragen, sagte Kugler. «In Stuttgart wird seit zwölf Jahren gegen geltendes Recht verstoßen.»
Die Polizei rätselt derweil, was die geplanten Fahrverbote für sie bedeuten. «Unbeantwortet bleibt etwa, wie die Fahrverbote durchgesetzt werden sollen ohne die blaue Plakette», sagte Ralf Kusterer, Landeschef der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG). Personell brauchten Land und Stadt hier mit der Polizei nicht zu rechnen. «Wir sind nicht in der Lage, das auch nur ansatzweise zu überprüfen und für die Einhaltung zu sorgen», betonte Kusterer.
Neben den angedrohten Fahrverboten für viele Diesel, gilt in Stuttgart bei Feinstaubalarm auch ein Verbot der Nutzung romantischer Kamine, die nicht zum Heizen notwendig sind. Zur Kontrolle will Stuttgart neue Stellen schaffen. Es werde mit bis zu drei neuen Mitarbeitern gerechnet, sagte ein Sprecher. Sie sollten künftig stichprobenartig nachschauen, ob die etwa 20 000 Komfortkamine tatsächlich nicht benutzt werden. Erstmal werde beraten, mit Bußgeldern sei erst später zu rechnen.
Ärzte rechnen mit einer zunehmenden Zahl schwerer Lungen- und Herzerkrankungen durch die miese Luft. Bedroht von Feinstaub und Stickoxiden aus Autoabgasen seien vor allem Anwohner stark belasteter Straßen, die schon Gesundheitsprobleme haben. «Die Schadstoffe lösen in erster Linie eine Entzündung aus - und verstärken bereits bestehende Erkrankungen der Lunge oder des Herz-Kreislauf-Systems», erklärte Professor Christian Witt, Lungenkoryphäe der Charité Berlin.
340 000 Menschen lebten an belasteten Straßen, mehrere Studien gingen von rund 73 000 vorzeitigen Todesfällen durch Luftverschmutzung aus. Europaweit seien es eine halbe Million - Kinder, Ältere, Kranke. Allein schon dadurch, dass die Menschen weiter in die Städte ziehen, und dass sie heute vergleichsweise alt werden, seien immer mehr Städter von den Schadstoffen bedroht. «Wir haben immer mehr kranke Alte und ganz viele in der Stadt», sagte Witt. «Der Anteil derer, denen das alles schadet, wird größer.» (DPA/LSW)