Lungenexperte: Mehr Krankheitsfälle durch miese Stadtluft

Christian Witt spricht während eines Pressetermins zu einem Journalisten. Foto: Lino Mirgeler
Christian Witt spricht während eines Pressetermins zu einem Journalisten. Foto: Lino Mirgeler

Stadtluft macht offenbar eher krank als frei: Die Zahl schwerer Lungen- und Herzerkrankungen wird nach Ansicht eines Experten durch die miese Luft in den Städten immer weiter steigen. Bedroht von Feinstaub und Stickoxiden aus Autoabgasen seien vor allem Anwohner stark belasteter Straßen, die ohnehin schon Gesundheitsprobleme haben. «Die Schadstoffe lösen in erster Linie eine Entzündung aus - und verstärken bereits bestehende Erkrankungen der Lunge oder des Herz-Kreislauf-Systems», erklärte Professor Christian Witt, Lungenkoryphäe der Charité Berlin.

340 000 Deutsche lebten an belasteten Straßen, mehrere Studien gingen von rund 73 000 vorzeitigen Todesfällen durch Luftverschmutzung aus. Europaweit seien es eine halbe Million - Kinder, Ältere, Kranke.

 

Allein schon dadurch, dass die Menschen weiter in die Städte ziehen, und dass sie heute vergleichsweise alt werden, seien immer mehr Städter von den Schadstoffen bedroht. «Wir haben immer mehr kranke Alte und ganz viele in der Stadt», sagte Witt. «Der Anteil derer, denen das alles schadet, wird größer.» Ob Feinstaub und Stickoxide auch Gesunde krank machen können, sei noch nicht geklärt.

 

Die grün-schwarze Landesregierung hatte am Dienstag angekündigt, schon ab 2018 Fahrverbote für viele Dieselautos anzuordnen, wenn die Luftwerte in Stuttgart nicht besser werden. Anlass waren Gerichtsentscheidungen verschiedener deutscher Gerichte, Strafzahlungen an die EU drohen.

 

«Je kleiner die Partikel sind, umso tiefer können sie in die Lunge eindringen», erklärte Witt. Die ganz kleinen Teilchen könnten auch im Blut auftauchen, was zu Gefäßverengung führen könne. Nicht nur Asthma, sondern auch Allergien könnten so verstärkt werden. «In verschiedenen Studien gibt es auch Signale für mehr Lungenkrebs», berichtete der Experte. «Es sind nicht mehr vor allem die alten Raucher, die wir als Lungenkrebspatienten haben.»

 

Die Luftverschmutzung sei der weltweit viertgrößte Risikofaktor, gleich nach dem Rauchen. Tendenz: steigend. Hinzu komme der Klimawandel. «In den Städten wird es heißer und trockener, damit steigt die Belastung, und wir werden mehr Leute mit Symptomen haben.»

 

Ein gesunder Mensch werde an Deutschlands dreckigster Straßenkreuzung am Stuttgarter Neckartor wenig Probleme haben. Trotzdem: «Jogging an einer befahrenen Hauptstraße, an der man vielfach so viele Schadstoffe atmet, ist nicht die beste Idee.» Auch die Nutzung eines Radwegs an solchen Straßen sei nicht zu empfehlen. Angeschlagene hingegen könnten die Schadstoffe riechen. Sie husten, haben Luftnot: «Die Kranken, deren Leben akut gefährdet ist und die auf ein neues Organ warten, die sagen ihnen eher, wie es draußen ist.» (DPA/LSW)