Kräftiges Plus statt bedrohliches Minus - die Finanzlage der gesetzlichen Krankenkassen ist deutlich besser als noch vor Monaten vorhergesagt. Im vergangenen Jahr haben sie rund 1,4 Milliarden Euro mehr eingenommen als ausgegeben. Die Beitragszahler kann das freuen. Ein Überblick: Wie steht die gesetzliche Krankenversicherung derzeit da?
Die 113 einzelnen Krankenkassen haben ihr Geldpolster zum Ende vergangenen Jahres um 1,4 auf 15,9 Milliarden Euro aufstocken können.
2015 hatten die Krankenkassen noch ein Defizit von gut 1,1 Milliarden Euro eingefahren. Dazu kommt der Gesundheitsfonds, die Geldsammel- und Verteilstelle der Krankenversicherung. 2015 hatte er 10 Milliarden Euro auf der hohen Kante, in dieser Größenordnung dürften seine Reserven weiter liegen. Exakten Zahlen zu Kassen und Fonds veröffentlicht das Bundesgesundheitsministerium Anfang März.
Was bedeutet das für die Beitragszahler?
Entwarnung. Noch im Juli hatte der Kassen-Spitzenverband für 2017 einen Anstieg des durchschnittlichen Zusatzbeitrags um bis zu 0,3 Punkte auf dann rund 1,4 Prozent vom Einkommen vorausgesagt. Bei 2000 Euro brutto im Monat wären das 6 Euro zusätzlich. 2019 werde der Zusatzbeitrag dann wohl im Schnitt bei 1,8 Prozent liegen, hieß es. Als Grund nannten die Kassen ein über dem Einnahmeplus liegendes Ausgabenwachstum - auch wegen Reformen von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) zugunsten von Ärzten und Kliniken.
Was sind Zusatzbeiträge?
Den allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent teilen sich die Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Den Zusatzbeitrag dagegen müssen die rund 55 Millionen Mitglieder der Krankenkassen - nicht die beitragsfrei mitversicherten Ehegatten und Kinder - alleine bezahlen. Er variiert von Kasse zu Kasse und liegt derzeit im Schnitt bei knapp 1,1 Prozent. Der Wettbewerb zwischen den Kassen sollte durch den Zusatzbeitrag angekurbelt werden, können sie ihn doch jeweils selbst festsetzen. Und die Wirtschaft wird entlastet.
Warum ist die Lage deutlich besser als die Kassen prognostizierten?
Die Wirtschaft in Deutschland brummt, es gibt Rekordbeschäftigung und gestiegene Löhne. Das kommt nicht nur der Krankenversicherung zugute. Milliarden wurden auch in die Staatskassen gespült - Ergebnis: der höchste Überschuss seit der Wiedervereinigung. 2016 nahmen Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen 23,7 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben.
Was hat die Kassen finanziell zuletzt belastet?
Die Ausgaben für Kliniken, Medikamente und Ärzte steigen mit dem Älterwerden der Gesellschaft und dem medizinischen Fortschritt jedes Jahr. In den ersten drei Quartalen 2016 waren die Ausgaben um 3,2 Prozent auf 166,1 Milliarden Euro gewachsen. Gröhe hat zudem Gesetze auf den Weg gebracht, durch die sich die Kostenschraube noch etwas schneller dreht: etwa eine Krankenhausreform, Anreize für eine Stärkung der Hausarzt-Versorgung, ein Regelwerk zur Stärkung der Gesundheitsvorsorge und eines für eine bessere Hospiz- und Palliativversorgung.
Mehr Ausgaben, trotzdem stabile Beiträge - geht das so weiter?
Zunächst ist die Lage stabil. Eine Sprecherin Gröhes wirft den Kassen Unkenrufe vor, die sich nicht bewahrheitet hätten: Die Kassen hätten weiter Spielräume für gute Leistungen und geringe Zusatzbeiträge. Die Kassen aber weisen auf Risiken hin. Die Lage jetzt - besser als erwartet - sei zwar erfreulich. Doch, so Verbandssprecher Florian Lanz, es sei wichtig, nun die Ausgaben anzugehen. «Wir brauchen beispielsweise Strukturveränderungen bei den Kliniken und bessere Preise für Medikamente, denn sonst bekommen wir spätestens bei der nächsten Konjunkturdelle massiven Druck auf die Krankenkassenbeiträge.» (DPA/TMN)