Das kräftige Wirtschaftswachstum spült Milliarden in die Staatskassen und beschert Deutschland den höchsten Überschuss seit der Wiedervereinigung. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen nahmen im vergangenen Jahr unterm Strich 23,7 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben. Bezogen auf die Wirtschaftsleistung fiel das Plus mit 0,8 Prozent nach Angaben des Statistischen Bundesamtes höher aus als die im Januar geschätzten 0,6 Prozent.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte am Donnerstag davor, in der Debatte über die Milliardenüberschüsse jetzt verschiedene Ausgabenbereiche gegeneinander auszuspielen.
Dank sprudelnder Einnahmen, rückläufiger Arbeitslosigkeit und niedriger Zinsen verbuchte der deutsche Staatshaushalt das dritte Jahr in Folge einen Überschuss. Er ist damit weit entfernt von der Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages. Danach darf ein Minus höchstens 3,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betragen.
Merkel sagte, verbessert werden müssten sowohl innere und äußere Sicherheit als auch die soziale Sicherheit der Menschen sowie Investitionen in die Zukunft. Gleichzeitig sollten keine neuen Schulden gemacht werden: «Insofern sind die Spielräume, die wir haben, überschaubar.» Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnte: «Wir sollten uns nicht auf der derzeit guten konjunkturellen Lage ausruhen.»
Den höchsten Überschuss erzielte 2016 die Sozialversicherung mit 8,2 Milliarden Euro. Wegen der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt stiegen die Sozialbeiträge, die Ausgaben sanken dagegen. Der Bund verbuchte ein Plus von 7,7 Milliarden Euro nach 10,0 Milliarden im Jahr zuvor. Dabei schlug auch die Unterstützung Berlins für die Länder bei der Unterbringungen und Versorgung Hunderttausender Flüchtlinge zu Buche. Länder (4,7 Mrd) und Gemeinden (3,1 Mrd) nahmen ebenfalls mehr ein, als sie ausgaben.
Einen deutlich kleineren Scheck erhält Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) indes von der Bundesbank in diesem Jahr. Der Gewinn der Notenbank sank 2016 von 3,2 Milliarden Euro auf rund 1,0 Milliarden Euro. Weil die Bundesbank den größten Teil davon in Pensionsrückstellungen steckt, gehen diesmal nur knapp 400 Millionen Euro an den Bund. Geplant hatte Schäuble im Haushalt für 2017 wie in den Vorjahren eigentlich mit 2,5 Milliarden Euro aus Frankfurt.
Das Finanzministerium in Berlin befürchtet jedoch kein Minus im Haushalt 2017. «Aus heutiger Sicht ist nicht erkennbar, dass der Haushalt wegen dieser Mindereinnahme insgesamt zum Ende des Jahres ins Defizit geraten könnte und entsprechende haushaltswirtschaftliche Maßnahmen erforderlich wären», erklärte Schäubles Ressort.
Die deutsche Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr kräftig um 1,9 Prozent - das stärkste Plus seit fünf Jahren. Zum Jahresende hatte der Aufschwung nach einer Delle im dritten Vierteljahr wieder an Tempo gewonnen. Das BIP stieg von Oktober bis Dezember gegenüber dem Vorquartal um 0,4 Prozent, wie die Wiesbadener Behörde erste Berechnungen bestätigte.
Getragen wurde das Wachstum der größten Volkswirtschaft Europas im vierten Quartal 2016 von der Konsumfreude der Verbraucher, den Ausgaben des Staates sowie dem Bauboom. Obwohl die Exportwirtschaft ein Rekordjahr hinlegte, bremste der Außenhandel das Wirtschaftswachstum - die Importe stiegen zuletzt stärker als die Ausfuhren. Die Unternehmen investierten etwas weniger als im Vorquartal in Ausrüstungen wie Maschinen.
Die deutsche Wirtschaft geht insgesamt damit mit Rückenwind in das laufende Jahr. Ökonomen sind zuversichtlich - sie sehen allerdings steigende politische Risiken. Vor allem die Politik von US-Präsident Donald Trump sorgt für Unruhe. Handelshemmnisse könnten die exportorientierte deutsche Wirtschaft treffen.
Auch 2017 dürften Impulse vor allem von der Binnenkonjunktur kommen. «Das Wachstum der deutschen Wirtschaft dürfte sich im ersten Jahresviertel 2017 weiter verstärken», hieß es im jüngsten Monatsbericht der Bundesbank. Der Boom am Bau dürfte sich fortsetzen und der Privatkonsum dank niedriger Arbeitslosigkeit eine wichtige Wachstumsstütze bleiben. Allerdings schränke der jüngste Anstieg der Energiepreise die finanziellen Spielräume der Verbraucher ein.
Erste Spuren zeigten sich bereits. Die US-Politik und die steigende Inflation dämpften die Verbraucherstimmung in Deutschland leicht, wie aus dem aktuellen GfK-Konsumklima-Index hervorgeht. Falls Trump seine geplanten Handelsbeschränkungen wirklich in die Tat umsetze, sei Deutschland besonders betroffen, sagte GfK-Konsumexperte Rolf Bürkl. Vor allem Beschäftigte in exportorientierten Branchen wie Automobil, Maschinenbau und Chemie sorgten sich um ihre Jobs.