Fahrverbote für viele Diesel ab 2018 beschlossen

Autos fahren an einer Feinstaubmessstation in Stuttgart vorbei. Foto: Lino Mirgeler/Archiv
Autos fahren an einer Feinstaubmessstation in Stuttgart vorbei. Foto: Lino Mirgeler/Archiv

Zur Verbesserung der stark mit Schadstoffen belasteten Luft in Stuttgart wird es von 2018 an Fahrverbote für viele Dieselfahrzeuge geben. Betroffen sind Fahrzeuge, die nicht die strengste Abgasnorm Euro 6 erfüllen. Grün-Schwarz einigte sich am Dienstag darauf, ab nächstem Jahr an Tagen mit extrem hoher Schadstoffbelastung etliche Straßen im Zentrum für viele Diesel-Fahrzeuge zu sperren. Das könnte tagelange Fahrverbote für Zehntausende von Autos bedeuten.

Das Verbot geht aus einem Maßnahmenkatalog zur Verbesserung der Luftqualität in der Landeshauptstadt hervor, den das Kabinett von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) am Dienstag beschlossen hat. Der Grünen-Politiker verteidigte die bisher schärfste Maßnahme gegen den Feinstaub. «Hier wird nichts verboten. Hier wird gesteuert und gelenkt», sagte er.

 

Gerichtsentscheidungen und drohende Strafzahlungen an Brüssel hätten Land und Stadt Stuttgart letztlich dazu gezwungen, schärfer gegen die Ursachen der anhaltend miesen Luft in Stuttgart vorzugehen, sagte Kretschmann. Plan A bleibe dabei die Einführung der blauen Plakette für schadstoffarme Autos, mit der vor allem schmutzigere Diesel-Fahrzeuge aus den Innenstädten ausgesperrt werden könnten. Die Bundesregierung lehnt die blaue Plakette bisher ab. Eine Bundesratsinitiative wird nur von vier Ländern getragen.

 

Um Vorgaben des Verwaltungsgerichts Stuttgart zu erfüllen, gibt es auch einen Plan B: Demnach soll das Verbot für Diesel-Fahrzeuge ohne Abgasnorm Euro 6 ab 2018 auf speziellen Strecken in der Innenstadt gelten und an Tagen mit sehr hoher Schadstoffbelastung. Allein in diesem Jahr waren das bisher mehr als 30 Tage. Der EU-Grenzwert liegt bei 50 Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft. Wird dieser Wert an mehr als 35 Tagen im Jahr gerissen, müssen die Behörden unter Androhung von Strafen durch die EU handeln. 2016 waren es 63 Überschreitungstage.

 

In Stuttgart sind laut Stadt 107 000 Dieselfahrzeuge zugelassen, 73 000 davon erfüllen nicht die Abgasnorm Euro 6. Das Land rechnet zwar damit, dass es für 20 Prozent der betroffenen Fahrzeuge Ausnahmeregelungen geben wird. Es geht aber zudem noch um viele Autos, die Stuttgart als Ziel haben. Die Einschränkungen sollen im Talkessel gelten sowie in Teilen Feuerbachs und Zuffenhausens.

 

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hält die geplanten Diesel-Fahrverbote für falsch. Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität sollten «nicht die Mobilität einschränken oder die Bürger und die innerstädtische Wirtschaft belasten», teilte sein Ministerium am Dienstag in Berlin mit. Das Bundesumweltministerium hingegen lobte die Pläne, und auch der Städtetag begrüßte die geplanten Fahrverbote.

 

Kritik kam von der FDP: Sozialpolitisch seien die Vorgaben mit dem Zwang zum Umstieg auf neue Fahrzeuge ein «verheerendes Signal», sagte FDP-Landeschef Michael Theurer. Ähnliche Stimmen kommen aus Reihen des Autoclubs ADAC: «Einseitige Fahrverbote können nicht per se die Lösung der Feinstaubprobleme in deutschen Großstädten sein», sagte ADAC-Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. «Sie gehen vor allem zu Lasten der vielen Autobesitzer, die in den vergangenen Jahren ein Diesel-Fahrzeug gekauft haben.»

 

Stuttgarts Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) kündigte Ausnahmen etwa für den Lieferverkehr und Handwerker an: «Niemand will Stuttgart lahmlegen.» Die Umsetzung der Maßnahmen werde nicht einfach. «Wir als Stadt setzen darauf, dass das Land uns dabei unterstützt.»

 

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz forderte vom Bund die Einführung der blauen Plakette: «Alle Untersuchungen belegen, dass sie den effektivsten Schutz der Menschen vor den Folgen von Feinstaub und Stickoxiden bringt.» CDU-Landtagsfraktion Wolfgang Reinhart sagte: «Das Wichtigste bei der Einigung ist: Es gibt keine allgemeinen Fahrverbote.» Man wolle den Verkehr nicht behindern. SPD-Fraktionschef Andreas Stoch betonte, wichtiger als Fahrverbote sei etwa der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

 

Land und Stadt sind in der Pflicht, dem Verwaltungsgericht Stuttgart bis Ende Februar zu erklären, wie sie die Luft nachhaltig verbessern wollen. Die Feinstaubwerte sind in der Landeshauptstadt deutlich zu hoch. Die Behörden hatten zuletzt mit einer Reihe von freiwilligen Aktionen - wie preisreduzierten Fahrkarten für Busse und Bahnen - versucht, Fahrer zum Verzicht auf ihr Auto zu bewegen. Allerdings brachten die Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg. Auch die Nutzung von sogenannten romantischen Kaminen, die nicht zum Heizen gebraucht werden, ist künftig verboten in Stuttgart. (DPA)