Droht wieder ein heißer Griechenland-Sommer? Die Verhandlungen zwischen den internationalen Geldgebern und der griechischen Regierung über die weitere Umsetzung des Spar- und Reformprogramms sind ins Stocken geraten.
Nun beraten die Euro-Finanzminister erneut in Brüssel über die Lage. Währenddessen bringen sich Euro-Gegner in Europa vor kommenden Wahlen in Stellung. Eskaliert die Situation wieder, wäre das Wasser auf ihre Mühlen. Ein Überblick.
Wie ist der Stand der Verhandlungen zwischen Griechenland und den Institutionen?
Im Kern geht es um die Fortsetzung des dritten Hilfsprogramms für Griechenland, das im Sommer 2015 beschlossen wurde. Im Gegenzug für Finanzhilfen von bis zu 86 Milliarden Euro verpflichtete sich Griechenland schrittweise eine Reihe an Spar- und Reformmaßnahmen umzusetzen. Ergänzungen - unter anderem für die Zeit nach Ende des Programms Mitte 2018 - wurden im Grundsatz im Mai 2016 festgezurrt.
Woran hakt es nun?
Griechenland hat nach Einschätzung etlicher Experten - etwa der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) - bereits erhebliche Reformschritte vollzogen. Problematisch für die Regierung in Athen ist derzeit aber vor allem eine angepeilte Liberalisierung des Arbeitsmarkts, mit der etwa Kündigungen erleichtert und Streiks erschwert würden. Das Links-Rechts-Bündnis unter Premier Alexis Tsipras zieht die Verhandlungen darüber in die Länge. Auch unter den internationalen Institutionen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) gibt es Meinungsunterschiede.
Warum zieht Athen die Gespräche in die Länge?
Die griechischen Bürger sind verzweifelt. In den vergangenen Jahren sind ihre Löhne, Gehälter und Renten bereits um hohe zweistellige Prozentsätze gekürzt worden. Zum 1. Januar traten neue indirekte Steuern und eine Erhöhung der Einkommenssteuer in Kraft. Tsipras, der im Januar 2015 als radikaler Sparkurs-Gegner gewählt wurde, steht nach einer Reihe unpopulärer Maßnahmen bereits politisch mit dem Rücken zur Wand. Die konservative Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) liegt in Umfragen um bis zu 12 Prozentpunkte vorn. Innerhalb der Syriza-Partei des Regierungschefs gibt es dem Vernehmen nach unterschiedliche Ansichten über das weitere Vorgehen.
Worüber streiten die Institutionen?
Hier geht es in erster Linie um die Einschätzung, ob und wie Griechenland wieder auf eigenen Beinen stehen kann. Im Mai 2016 hatten die Euro-Finanzminister erklärt, Athen müsse den Primärüberschuss - die Haushaltsbilanz ohne Schuldendienst - «mittelfristig» bei 3,5 Prozent halten. Der IWF hält das für wirtschaftlich unsinnig. Demnach wären dafür weitere Sparanstrengungen notwendig, die dem Wirtschaftswachstum schaden könnten. Im Umkehrschluss könnte dadurch der griechische Schuldenberg, der derzeit bei rund 183 Prozent der Wirtschaftsleistung liegt, verhältnismäßig weiter steigen.
Der IWF plädiert daher für Schuldenerleichterungen und zögert seine Entscheidung über eine finanzielle Beteiligung an weiteren Griechenland-Krediten ebenfalls hinaus.
Warum ist das gefährlich?
Im Sommer muss Griechenland Kredite in Milliardenhöhe zurückzahlen, die es aus eigener Kraft nicht stemmen könnte. In einer Reihe an europäischen Ländern bringen sich außerdem EU- und Eurogegner in Stellung - allen voran Marine Le Pen in Frankreich. Die Chefin der rechten Front National und Präsidentschaftskandidatin Le Pen tritt für die Wiedereinführung einer nationalen Währung ein. Zuletzt erklärte sie, dass sie nach ihrem potenziellen Wahlsieg im Mai eine Volksabstimmung über das Wiedererlangen der Oberhoheit über Währung, Gesetzgebung oder die Wirtschaft abhalten wolle. Danach würden ihre Landsleute «neue Francs» in der Tasche haben. Die Politikerin gilt als Favoritin für die erste Runde der Präsidentenwahl - im entscheidenden Duell im Mai werden allerdings Emmanuel Macron zur Zeit die größten Chancen eingeräumt.
Wo gibt es noch Probleme?
In knapp einem Monat wird in den Niederlanden gewählt - und auch hier droht Ungemach. Der Euro-Gegner und Chef der Partei für die Freiheit (PVV), Geert Wilders, tritt mit der Forderung an, «die Niederlande den Niederländern» zurückzugeben. Wilders' rechtspopulistische und islamfeindliche PVV kann laut Umfragen damit rechnen, stärkste Partei des Landes zu werden. Die Niederlande verzeichneten zuletzt aber deutliches Wirtschaftswachstum - vor allem wegen eines starken Exports in die EU.
Womit ist nun beim Treffen der Euro-Finanzminister zu rechnen?
Der große Durchbruch ist nach Einschätzung von Diplomaten nicht zu erwarten. Als bestes Szenario gilt, dass eine Einigung darüber erzielt werden könnte, dass die Kontrolleure der Geldgeber nach Athen zurückkehren, um mit der Regierung die Umsetzung des laufenden Reformprogramms voranzutreiben. (DPA)