Der russische Kultregisseur Kirill Serebrennikow (47) inszeniert zwei Jahre nach seiner gefeierten «Salome»-Aufführung erneut an der Oper Stuttgart - diesmal «Hänsel und Gretel». «Ich musste etwas mit mir ringen, weil doch schließlich jeder Deutsche diese Geschichte kennt. Aber nun: Wir inszenieren das Stück mit afrikanischen Kindern aus einem Dorf in Ruanda», sagte der Film- und Theatermacher bei einem Besuch in Stuttgart.
Das unlängst zum «Opernhaus des Jahres» gekürte Theater startet im Herbst mit dem Stück von Engelbert Humperdinck (1854-1921) in die neue Spielzeit.
«Es geht um die Träume dieser Kinder, die sich ein besseres Leben wünschen, die sich nach Glück sehnen», sagte Serebrennikow. Die Erfahrungen des Jungen und des Mädchens, wie sie ihr Dorf in Afrika verlassen, das erste Mal ein Flugzeug besteigen und in ein Theater gehen, werden auch in einem Dokumentarfilm festgehalten. Der Streifen soll dann während der Aufführungen Teil des Bühnengeschehens werden.
Studenten der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg begleiten in Zusammenarbeit mit dem SWR das Projekt mit einem eigenen Dokumentarfilm - von Serebrennikows Besuch in dieser Woche in Stuttgart über die Ruanda-Reise bis hin zur Regiearbeit auf der Opernbühne, für die der Moskauer im September anreist. Im November 2015 hatte er erstmals in Stuttgart inszeniert - und zwar «Salome» in einem islamistischen Kontext.
In deutschen Kinos ist aktuell Serebrennikows auch in Cannes ausgezeichneter Film «Der die Zeichen liest» (Utschenik) zu sehen - über einen Schüler, der durch die Bibellektüre radikalisiert wird.
Im Juli inszeniert der Künstler am Bolschoi Theater in Moskau das Ballett «Nurejew» über den zu Sowjetzeiten in den Westen geflüchteten Startänzer Rudolf Nurejew. Er wolle in der getanzten Lebensgeschichte auch Nurejews Homosexualität thematisieren, sagte Serebrennikow. Nurejew (1938-1993) starb an Aids - die Krankheit und Homosexualität werden in Russland weitgehend tabuisiert.
Serebrennikow sagte in Stuttgart, dass Theater in Russland immer noch viel Freiraum hätten - anders als Medien und etwa die Filmindustrie. Als er in der Vergangenheit einen Film drehen wollte über Peter Tschaikowsky (1840-1893), verlor er die staatliche Filmförderung, weil er das Schwulsein des Komponisten nicht unerwähnt lassen wollte. Das Vorhaben verfolge er dennoch weiter. (DPA/LSW)