Der Autozulieferer Prevent wirbt in einem Unternehmensprofil mit dem Satz: «Der Mut, neue Wege zu gehen, hat uns schon immer begleitet.» Dem VW-Konzern hat das Vorgehen von Prevent schon Millionen gekostet und Konsequenzen beim Einkauf angekündigt. Jetzt wollen die Prevent-Eigentümer die Macht beim großen bayerischen Zulieferer Grammer übernehmen - und versetzen Autokonzerne und IG Metall in Aufruhr.
«Das ist eine ganz kritische Situation. Alle Automobilhersteller beobachten das mit großer Sorge», sagt Stefan Bratzel vom Autoinstitut CAM in Bergisch Gladbach. «Alle schauen genau, ob ein Investor wie Prevent sich weitere wichtige Zulieferer einverleibt und so sein Druck- und Blockadepotenzial erheblich erhöht.» Aus der Autoindustrie heißt es: «Wir stehen Gewehr bei Fuß.» Risikomanager und inzwischen auch Task forces kümmern sich darum, dass die Produktion nicht still steht und notfalls Alternativen gefunden werden.
Ein Stillstand der Bänder sei eine Katastrophe, sagt Bratzel - genau das ist VW im August 2016 widerfahren: Im Streit um Geld für ein abgeblasenes Projekt hatten zwei Prevent-Töchter keine Getriebeteile und Sitzbezüge mehr an Volkswagen geliefert. In Wolfsburg konnte der Golf, in Emden der Passat nicht mehr gebaut werden, 28 000 Mitarbeiter mussten pausieren. Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sprach von «Erpressung».
Bratzel sagt: «So was hat's in der Autoindustrie noch nicht gegeben, dass ein Zulieferer die Produktion in Geiselhaft nimmt, um seine Forderung durchzudrücken.» Der Ausfall habe VW viele Millionen gekostet und dem Ruf der deutschen Autoindustrie geschadet.
Grammer baut mit 12 000 Mitarbeitern Armaturenbretter und Sitze für Autos, Lastwagen, Traktoren, Busse und Züge. Die größten Auto-Kunden: Der Volkswagen-Konzern, BMW und Daimler. Mit Daimler streitet sich Prevent wegen gekündigter Aufträge derzeit in Stuttgart vor Gericht.
Hinter Prevent stehen Nijaz Hastor und seine Söhne Kenan und Damir. Die bosnische Unternehmerfamilie übernahm mehr als 20 Prozent an Grammer und fordert jetzt, fünf der sechs Aufsichtsräte auf Aktionärsseite durch ihre eigenen Vertrauensleute zu ersetzen und Grammer-Chef Hartmut Müller abzulösen. Grund: Die Führung habe nicht genug auf die Gewinne geachtet.
Die Forderung sehe nach Provokation aus, sagt Analyst Peter Rothenaicher von der Baader Bank. Aufsichtsrat und Vorstand von Grammer lehnten sie strikt ab. Nachdem das Unternehmen in den vergangenen Jahren unter Mühen endlich auf Erfolgskurs gebracht worden sei, zögen in diesem Punkt alle an einem Strang, heißt es.
Der Börsenkurs steigt zwar - Anleger spekulieren auf Aktienkäufe der Hastors einerseits und eines «weißen Ritters» andererseits, der die Unabhängigkeit von Grammer sichern könnte. Aber Aktionäre wie Mitarbeiter müssen fürchten, dass die Autokonzerne Aufträge von Grammer abziehen, wenn die Hastors die Kontrolle übernehmen.
Die IG Metall ist auf den Barrikaden. Bei Alno-Küchen und beim Möbelhersteller Wössner wurden nach dem Einstieg von Prevent Arbeitsplätze gestrichen. Frank Iwer, Autoexperte beim IG-Metall-Vorstand, sagt, Prevent riskiere, «zugunsten kurzfristiger Gewinne die gesamten Kundenbeziehungen und damit die Zukunft der Arbeitsplätze sowie des Unternehmens insgesamt in Frage zu stellen».
In der Belegschaft «herrscht ein Stück Angst, wie geht's weiter, und auch Wut», sagt ein Gewerkschafter. Die Belegschaft habe bei der Restrukturierung erhebliche Opfer gebracht, sie wolle nicht um die Früchte gebracht werden. Die Kampfbereitschaft sei hoch, lautet die klare Botschaft an alle Aktionäre. Der bayerische Ig-Metall-Chef Jürgen Wechsler sagte: «Einem möglichen feindlichen Übernahmeversuch durch die Hastor-Familie werden wir uns als Arbeitnehmer daher vehement widersetzen.» (DPA)