Kurz vor der Türkei-Reise von Kanzlerin Angela Merkel gewinnt ihr Besuch beim politisch auf Konfrontationskurs steuernden Nato-Verbündeten weiter an Brisanz.
Medienberichten zufolge haben etwa 40 in Nato-Einrichtungen stationierte türkische Soldaten in Deutschland Asyl beantragt. Dabei handelt es sich nach Informationen des «Spiegel» und des ARD-Magazins «Report Mainz» größtenteils um ranghohe Militärs. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das Bundesinnenministerium betonten dem «Spiegel» zufolge, der Fall der Offiziere werde behandelt wie andere Asylfälle auch.
Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist heikel, da die Kanzlerin am Donnerstag - einen Tag vor dem EU-Gipfel auf Malta - zu politischen Gesprächen in die Türkei reist. Nach Artikel 16a des Grundgesetzes genießen politisch Verfolgte Asylrecht in Deutschland.
«Es gibt keinen Zweifel, dass wir diese Soldaten nicht in die Türkei zurückschicken können», zitiert der «Spiegel» den CSU-Innenpolitiker Stephan Mayer. «Sie würden dort sofort im Gefängnis landen.» Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Norbert Röttgen, sagte: «Das Asylverfahren ist rein rechtlich, politische Erwägungen dürfen dabei keine Rolle spielen und werden es auch nicht.»
Dem Nachbarn Griechenland droht die türkische Regierung schon mit Konsequenzen, nachdem der oberste griechische Gerichtshof am Donnerstag die Auslieferung acht türkischer Militärs verweigert hatte. Sie waren im Juli 2016 während des Putschversuchs in der Türkei per Hubschrauber nach Griechenland geflohen und hatten dort Asyl beantragt. Ankara stuft die Militärs als Putschisten ein und will das Gerichtsurteil nicht hinnehmen. Neben dem Flüchtlingspakt mit der EU habe die Türkei auch ein bilaterales Rücknahmeabkommen mit Griechenland, das nun beendet werde, zitierte der türkische Staatssender TRT am Freitag Außenminister Mevlüt Cavusoglu.
Zwei der Offiziere beteuerten im «Spiegel» und im «Report Mainz», sie hätten mit dem Putschversuch nichts zu tun. In der Türkei drohe ihnen dennoch die Verhaftung und womöglich Folter. Einer wird mit den Worten zitiert: «Wir stehen vor dem Nichts.» Die Soldaten beschuldigen demnach Präsident Recep Tayyip Erdogan, prowestliche und säkulare Haltungen von Türken im Militär systematisch abzustrafen.
Die türkische Regierung geht seit dem gescheiterten Putsch massiv gegen mutmaßliche Anhänger des Predigers Fethullah Gülen vor, den sie für den Umsturzversuch verantwortlich macht. Neben vielen anderen wurden in der Folge auch Tausende Soldaten festgenommen.
Anfang November - also gut vier Monate nach dem Putschversuch - hatten mehrere türkische Soldaten aus dem Nato-Hauptquartier im pfälzischen Ramstein um Asyl in Deutschland gebeten. Um wie viele Soldaten es sich dabei handelte, blieb seinerzeit unklar. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wollte sich damals nicht zu den Asylanträgen äußern und kommentierte den Vorgang mit den Worten: «Das ist eine nationale Angelegenheit und eine nationale Entscheidung.»
Das Verhältnis zwischen Deutschland und der Türkei ist seit Monaten angespannt. Ursache dafür waren unter anderem die umstrittene «Schmähkritik» des TV-Moderators Jan Böhmermann am türkischen Präsidenten Erdogan und die Resolution des Bundestags, die die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich vor 100 Jahren als «Völkermord» einstufte. Erdogans Politik nach dem gescheiterten Putsch in der Türkei sorgte ebenfalls für Verstimmungen zwischen beiden Ländern. (DPA)