Klage gegen Stuttgart-21-Partner steht unmittelbar bevor

Baustelle des Bauprojekts Stuttgart 21. Foto: Silas Stein/Archiv
Baustelle des Bauprojekts Stuttgart 21. Foto: Silas Stein/Archiv

Die Deutsche Bahn will am Freitag Klage gegen ihre Projektpartner beim Milliardenvorhaben Stuttgart 21 einreichen. Die Klageschrift gegen Land, Stadt und Region Stuttgart sowie Flughafen werde beim Verwaltungsgericht Stuttgart eingereicht, sagte ein Bahnsprecher am Donnerstag in Stuttgart. Der Konzern dringt darauf, dass sich die Projektpartner an Mehrkosten über die Summe von rund 4,5 Milliarden Euro hinaus generell beteiligen. Um konkrete Summen und Anteile geht es dabei nicht.

Die Klage musste noch in diesem Jahr erhoben werden, damit Verjährungsfristen für etwaige Ansprüche nicht verstreichen.

 

Die Bauherrin Bahn kalkuliert seit März 2013 mit einem Finanzierungsrahmen von bis zu 6,5 Milliarden Euro für die Neuordnung des Stuttgarter Bahnknotens. Sie strebt an, die Projektpartner an möglichen Mehrkosten von zwei Milliarden Euro zu 65 Prozent zu beteiligen. Der Konzern sieht sich in seiner Forderung durch die sogenannte Sprechklausel im S-21-Finanzierungsvertrag bestätigt. Das Land steuert 930 Millionen Euro bei, die Stadt Stuttgart knapp 300 Millionen Euro.

 

Die bevorstehende Klage führt auch zu Problemen im Verhältnis der Finanziers untereinander. Das Land kann nicht ausschließen, dass auch seine im Fall eines gerichtlichen Erfolgs der Bahn möglichen Ansprüche an die Projektpartner zum Jahresende verjähren. Es sieht sich nun seinerseits möglicherweise gezwungen, vorsorglich eine Klage gegen die Stadt Stuttgart einzureichen. Denn für den Fall, dass die Bahn den Prozess gewinnt, will das Land nicht allein auf möglichen Mehrkosten sitzen bleiben. Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) sagte aber: «Das Land versucht alles, um nicht gegen die Projektpartner klagen zu müssen.»

 

Das schwierige Vorgehen gegen einen engen Verbündeten in Sachen Stuttgart 21 will Hermann umgehen, indem er die Stadt zu Gesprächen über den Umgang mit der Bahn-Klage am Freitag einlädt. Die hätten nach Darstellung von Land und Stadt aufschiebende Wirkung für etwaige Ansprüche des Landes gegenüber der Stadt. Ab Verhandlungsbeginn wäre das ein Aufschub von drei Monaten. Wenn die Stadt nicht in dieses Vorgehen einwillige, wäre aus Sicht des Landes eine präventive Klage gegen sie unvermeidbar. Es sei im Sinne des Landes, im Ernstfall auch Projektpartner mit ins Boot zu holen. Zuvor hatten «Stuttgarter Zeitung» und «Stuttgarter Nachrichten» über die mögliche Klage des Landes berichtet.

 

Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) schlägt dem Gemeinderat vor, dass sich die Stadt an den Gesprächen auf Arbeitsebene beteiligt. Das Gremium entscheidet am Donnerstagabend darüber. Kuhn beschreibt den Vorteil in seiner Vorlage: «Dies schafft die Möglichkeit, das weitere Vorgehen auf der Grundlage der bis dahin vorliegenden Klageschrift der Bahn mit der entsprechenden Sorgfalt und mit anwaltlicher Unterstützung zu prüfen und festzulegen.»

 

Auch der Verband der Region Stuttgart will sich an den Gesprächen beteiligen. Er hatte sich allerdings - anders als Stadt und Land - bereiterklärt, einer Aussetzung der Verjährung der Bahn-Ansprüche zuzustimmen. Das heiße aber keineswegs, dass der Verband sich über die zugesagten 100 Millionen Euro hinaus finanziell bei Stuttgart 21 engagiere, betonte der Leitende Direktor Infrastruktur des Verbandes, Jürgen Wurmthaler. Dies sei in allen Verträgen - auch in einem mit dem Land - verankert. Außerdem sei der Verband - wie die Bahn - der Meinung, das Land sei Poolführer des Konsortiums, der alle Partner gegenüber der Bahn vertritt. Diese Sichtweise teilt das Verkehrsministerium keineswegs. «Das ist eine Rolle, die wir ablehnen», betonte ein Sprecher.

 

Am Dienstag kommender Woche wollen die an den Augen geschädigten Opfer des gerichtlich für rechtswidrig erklärten Wasserwerfer-Einsatzes gegen S-21-Gegner ihre Entscheidung bekanntgeben, ob sie das Entschädigungsangebot des Landes Baden-Württemberg annehmen. Am sogenannten Schwarzen Donnerstag waren im September 2010 laut Innenministerium mehr als 160 Menschen verletzt worden. (DPA/LSW)