Die baden-württembergische AfD-Abgeordnete Claudia Martin will aus Fraktion und Partei austreten. Das teilte sie am Freitagabend in Stuttgart mit. An diesem Samstag will sie der Öffentlichkeit ihre Motive darlegen. Dem Südwestrundfunk hatte sie gesagt, der Kurs der AfD sei zu rechtspopulistisch, das könne sie nicht mehr mittragen. Sie wolle sich künftig als Fraktionslose im Landtag und für ihren Wahlkreis Wiesloch um das Thema Digitalisierung kümmern. Die Kollegen wollte sie laut SWR am Abend von ihrem Schritt informieren.
Die AfD-Fraktion forderte Martin auf, ihr Mandat zurückzugeben. AfD-Fraktionschef Jörg Meuthen warf ihr in einer am Abend veröffentlichten Stellungnahme «pure Heuchelei» und «falsches Spiel» vor. «Ob sie sich nach dieser hinterrücks vorbereiteten Aktion für billige 15 Minuten Ruhm im Parlament noch wohlfühlen wird, ist zu bezweifeln», sagte Meuthen der Mitteilung zufolge. «Es ist offenkundig, dass Frau Martin mit der parlamentarischen Arbeit insgesamt überfordert war, falsche Vorstellungen dazu hatte und überdies nicht konsensfähig war», meinte Meuthen, der auch Bundesvorsitzender der AfD ist.
«Womöglich wäre es besser gewesen, wenn Frau Martin gleich für eine der linkspopulistischen Kartellparteien kandidiert hätte», sagte Meuthen. Sie sei nicht direkt und nur gewählt worden, weil sie die Ziele der AfD habe im Landtag vertreten wollen, erläuterte Fraktionsvize Emil Sänze. Er dementierte die Aussage Martins in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», dass er vorschlage, Asylbewerber in Sonderlagern zu kasernieren und sie dort als Aufbauhelfer für die Rückkehr in ihre Heimat vorzubereiten. Es gehe lediglich um freiwillige Bildungsangebote, betonte er.
Im Sommer hatte bereits der wegen antisemitischer Äußerungen kritisierte Wolfgang Gedeon die Fraktion - aber nicht die Partei - verlassen. Ohne Martin hätte die AfD im Landtag 21 Mitglieder - und wäre damit immer noch die größte Oppositionsfraktion vor der SPD, die auf 19 Sitze kommt. Meuthen verwahrte sich gegen die Aussage Martins, die Partei habe sich nicht genügend von Gedeon distanziert. «Für seine Positionen gibt es keine Fürsprecher in der Fraktion», sagte Meuthen der Deutschen Presse-Agentur.
Der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagte Martin über ihre Motive: «Was ich erlebe ist, dass die Schießscharten geschlossen werden, man jede Chance ergreift, sich mit dem Flüchtlingsthema populistisch zu profilieren und man sich um eine Abgrenzung von Extremisten nicht bemüht.»
Die anderen Parteien bescheinigten der AfD einen Auflösungsprozess sowie eine Führungsschwäche Meuthens. CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart sagte: «Für Abgeordnete mit gemäßigten und vernünftigen Ansichten ist in der AfD ganz offensichtlich kein Platz.» Die SPD-Fraktion warf der AfD Politikunfähigkeit vor. «Nachdem sich die Fraktion erst getrennt und dann wieder vereint hat, ergreift nun eine Abgeordnete die Flucht und begründet dies ausdrücklich mit dem Rechtsruck der AfD», sagte der parlamentarische Geschäftsführer Reinhold Gall. Meuthen könne «den Laden» offensichtlich nicht mehr zusammenhalten. Aus Sicht der Grünen ist die Spaltung der Partei nur formal überwunden. «Von Inhalten weiter keine Spur, dafür bröckelt der Laden», meinte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz.
Außerdem beklagte Martin laut SWR, dass es keine Konsequenzen für den Abgeordneten Stefan Räpple gegeben habe, der Mitglieder der anderen Landtagfraktionen als «Volksverräter» bezeichnet hatte. Meuthen sagte dazu, Räpple habe nicht an der Auslosung für die Wahlleute für die Bundespräsidentenwahl teilnehmen dürfen. Überdies sei er aus einem Landtagsausschuss zurückgezogen worden. (DPA/LSW)