Wenn die Wunschkamera nur noch 250 statt 1500 Euro kostet oder der Kühlschrank um die Hälfte reduziert ist, zögern manche Schnäppchenjäger nicht lange. Doch wer lieber online als im Geschäft shoppen geht, muss besonders in der Vorweihnachtszeit bei den Angeboten genau hingucken.
Verbraucherschützer warnen vor sogenannten Fakeshops. Bei Amazons Marktplatz, wo Händler ihre Waren anbieten, könne sich etwa schon der Eindruck vom «Eldorado für Betrüger» aufdrängen, schreibt die Verbraucherzentrale NRW in schroffen Worten im Internet. «Es ist ein Dauerthema», sagt Christian Aldenhoff von der Verbraucherzentrale. Schon vor einem Jahr seien erste Beschwerden über Amazons Händlerportal Marketplace eingegangen. Es gebe auch andere, kleinere Plattformen mit dem gleichen Problem, doch der Onlineriese sei die bekannteste. Zu Weihnachten wird hier besonders viel bestellt - doch wer nicht genau hinschaut, könnte an Heiligabend mit leeren Händen dastehen.
Die Masche ist immer gleich: Angezogen von den oft eigentlich unrealistisch niedrigen Preisen bestellen Ahnungslose ihren Artikel und bekommen kurz darauf den Hinweis, alles Weitere per Mail mit dem Verkäufer zu regeln, statt über den Amazon-Warenkorb. «Sobald man die Umgebung verlassen soll, ist das schon ein Indikator dafür, dass etwas schiefläuft», sagt Aldenhoff. Kunden sollen dann den Betrag im Voraus auf meist ausländische Konten überweisen. Damit ist das Geld häufig weg.
Davor warnt auch der Onlinehändler selbst auf seinen Serviceseiten. «Amazon duldet diese Aktivitäten in keiner Weise», betonte ein Sprecher. Das Unternehmen rät Kunden, niemals Bezahlungen außerhalb der Amazon-Website zu veranlassen. Solange die Zahlung über Amazon abgewickelt wird, gewährt das Unternehmen zum Beispiel eine sogenannte A-bis-Z-Garantie und entschädigt Kunden etwa bei fehlerhafter oder nicht gelieferter Ware.
Doch das reicht Polizei und Verbraucherschützern nicht. «Da ginge durchaus mehr», betont die Verbraucherzentrale. Man könne Kunden etwa warnen, dass sie ins Visier von Gaunern geraten können, sobald sie einen Bestellvorgang abbrechen. Auch die Polizei erwartet zusätzliche Sicherheitsmechanismen. Amazon betont hingegen, dass das Unternehmen mit den Behörden kooperiere, um sie bei ihren Maßnahmen gegen Betrüger zu unterstützen.
«Amazon duckt sich weg, scheint das Problem nicht im Griff zu haben», kritisiert die Stiftung Warentest in ihrer Dezember-Ausgabe den Marketplace. Nach mehreren Testkäufen sei keine Ware angekommen, die Tester hätten sich bei Amazon beschwert. Doch da die Käufe nicht über Amazon abgewickelt worden seien, sehe sich der Onlinehändler nicht zuständig und habe die Tester zur Polizei geschickt.
«Die Wahrscheinlichkeit, das Geld wiederzubekommen, ist gering bis aussichtslos», sagt Hans-Joachim Henschel vom «Ratgeber Internetkriminalität» der Polizei Niedersachsen. «Die Personen, die das Geld empfangen haben, sind sehr wahrscheinlich sogenannte Finanzagenten, die von den Tätern für die Geldwäsche zuvor angeworben und dann missbraucht werden.» Dennoch sollten Geschädigte bei der Polizei Anzeige erstatten und sofort Kontakt mit der eigenen Bank aufnehmen - je schneller, desto besser.
Die Polizei spricht bei Warenbetrug von einem Massenphänomen statt von Einzelfällen. Das Bundeskriminalamt registrierte im vergangenen Jahr in seiner Kriminalstatistik 74 421 Fälle, zu denen auch Fakeshops zählen. Von allen im Internet begangenen Straftaten macht Warenbetrug damit rund 30 Prozent aller Delikte aus. Das Ermitteln der Verbrecher ist allerdings schwierig, manche Shops bestehen nur wenige Stunden. «Die Fakeshops werden mit jeder Generation professioneller», erklärt Aldenhoff.
Gemeldete Shops werden von Amazon zwar gelöscht, doch die Betrüger eröffnen einfach neue. Oder sie nutzen eine Methode, die für den Kunden noch schwieriger zu erkennen ist: Sie hacken sich in die Profile seriöser Händler und verkaufen von dort aus ihre Scheinartikel - dank der guten Bewertungen des Shops fällt das zunächst nicht auf. Amazon erklärt dazu: «Sollten Unberechtigte durch Vorgänge außerhalb der Amazon-Umgebung Zugriff auf ein Verkäufer Amazon-Konto erhalten haben, ergreifen wir umgehend entsprechende Maßnahmen, um Verkäufer und Kunde zu schützen.»
Stiftung Warentest rät, bei sehr starken Reduzierungen lieber genau hinzuschauen. Auch zur Weihnachtszeit hätten die wenigsten Händler etwas zu verschenken. Bezahlt werden sollte besser per Lastschrift, Kreditkarte oder etwa Paypal. Um gehackte Shops seriöser Anbieter zu enttarnen, kann es laut Aldenhoff nicht schaden, sich die übrigen Produkte des Händlers anzuschauen. Finden sich in einem Musikshop plötzlich Küchengeräte, kann ein Betrüger am Werk sein. Wenn der Kauf per Mail und nicht über den Amazon-Warenkorb abgewickelt werden soll, heißt es: Finger weg. (DPA)