Berlin (dpa) - Immer mehr Menschen in Deutschland sind ohne Wohnung - Tendenz weiter stark steigend. Die Zahl der wohnungslosen Menschen stieg in den vergangenen Jahren deutlich von 248 000 Personen im Jahr 2010 auf zuletzt 335 000, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Linken-Anfrage hervorgeht.
Die Antwort lag der Deutschen Presse-Agentur vor. Die tatsächlichen Zahlen dürften heute laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) noch weit höher liegen.
«Die Krise ist historisch und hat den Höhepunkt noch nicht erreicht», sagte BAG-W-Geschäftsführer Thomas Specht der dpa.
Betroffen waren nach den jüngsten Zahlen von 2014 rund 29 000 Kinder und 306 000 Erwachsene, davon mit 220 000 Personen der Großteil Männer. Das Bundessozialministerium stützt sich bei seinen Angaben auf Schätzungen der BAG W - eine amtliche Statistik gibt es nicht.
Die Arbeitsgemeinschaft geht von einer deutlichen Verschärfung des Problems aus. Bis 2018 prognostizierte sie einen Zuwachs auf 536 000 wohnungslose Menschen. Diese Prognose stammt jedoch noch aus dem vergangenen Jahr. Die Zahl dürfte tatsächlich um mehrere hunderttausend Menschen darüber liegen, weil die meisten anerkannten Flüchtlinge wegen der angespannten Wohnungslage zunächst lange in Notunterkünften bleiben müssten, sagte Specht.
Wohnungslos sind Menschen, die auf der Straße leben, die ohne Mietvertrag in Wohnungen auf Kosten des Staats untergebracht sind, die in Notunterkünften oder Heimen untergebracht sind oder bei Verwandten untergekommen sind.
Das Problem mangelnder Wohnungen bestehe bundesweit, sagte Specht. In den größeren Städten gebe es aber besonders viele Wohnungslose, die meisten schätzungsweise in Berlin. Aber auch in Städten wie in Köln, Hamburg oder Leipzig gebe es viele Wohnungslose. Zehntausende Menschen lebten direkt auf der Straße, Zeltstädte mit EU-Migranten seien vielerorts augenfällig. Auch im vergleichsweise reichen Bayern und Baden-Württemberg besteht das Problem. So könne sich in München selbst die Mittelschicht kaum noch Wohnungsmieten leisten.
Das Bundessozialministerium schreibt in seiner Antwort an die Linke: «Wohnungslosigkeit liegt vielfach nicht in fehlendem Wohnraum begründet, sondern hat in der Regel eine Reihe anderer sozialer und zum Teil auch psycho-sozialer Ursachen.» Familiäre Probleme, Sucht oder Krankheiten spielten eine Rolle. Eine Statistik zur Zahl der wohnungslosen Menschen sei bei der Regierung nicht geplant.
Linken-Fraktionsvize Sabine Zimmermann, die die Angaben angefragt hatte, warf der Regierung wegen dieser Einschätzungen Realitätsverweigerung vor. Vielmehr sei die Kombination aus immer weniger bezahlbaren Wohnungen mit einer verfestigten und steigenden Einkommensarmut der Grund der Missstände. «Es ist unerträglich, dass die Bundesregierung so tut, als ginge sie das alles nichts an.»
Laut Specht liegt der Grund für den Anstieg der Wohnungslosigkeit in den vergangenen Jahren in der wachsenden Zahl der Haushalte, oft mit nur einem Bewohner, und der wachsenden Armut. «Die Fähigkeit, die Miete zu zahlen, ist bei vielen deutlich geschrumpft.» Die Zahl der Wohnungen mit Sozialbindung sei zudem auf knapp eine Million stark gesunken. Jedes Jahr verlören bis 80 000 Wohnungen die Sozialbindung, nur ein Viertel dieser Größenordnung werde durch Neubau ausgeglichen.
Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte dafür geworben, dem Bund über eine Grundgesetzänderung wieder Verantwortung für den sozialen Wohnungsbau zu geben. Andernfalls könnte das Ende der Bundeszuschüsse nach 2019 in vielen Ländern dessen Ende bedeuten. (DPA)