Die hohe Kochkunst hat in Deutschland ihr einst elitäres Milieu längst verlassen. Die Zahl der mit Sternen des «Guide Michelin» oder Kochmützen des «Gault&Millau» ausgezeichneten Restaurants hat über die Jahrzehnte kräftig zugenommen. Immer mehr junge Köche leiten Spitzenrestaurants.
Nachdem Mitte November der Restaurantführer «Gault&Millau» seine Bewertungen für 2017 abgegeben hatte, wird von Genießern jetzt mit Spannung die neue Ausgabe des «Guide Michelin» erwartet.
Die Geiheimhaltung könnte nicht größer sein. Vor der feierlichen Präsentation der Kochelite bei einer Gala am Donnerstag in Berlin soll absolut nichts an die Öffentlichkeit dringen.
Auch «Michelin»-Pressesprecher Michael Küster in Karlsruhe hält sich bedeckt. «Der Trend ist ungebrochen, wir sind auf einem stabil hohen Niveau», sagt er immerhin. Auch der von vielen jungen Köchen angestoßene Weg hin zum «casual fine dining» setze sich fort. Es gehe darum, Spitzengastronomie in ungezwungener Atmosphäre zu genießen. Weiße Tischdecken und ein strenger Dresscode sind immer seltener zu finden. Junge Köche probieren neue Konzepte.
In Hamburg etwa kocht Kevin Fehling im «The Table» unter den Blicken seiner Gäste, die an einem langen geschwungenen Tresen nebeneinander sitzen. Bei «Nobelhart & Schmutzig» in Berlin (ein Stern) klingt schon der Name wie ein Programm. «Brutal lokal» geht es dort zu. Nur Produkte aus der Region kommen auf den Teller, also muss der Gast auf sonst so selbstverständliche Zutaten wie Olivenöl oder Zitrone verzichten - ohne Einbußen beim Geschmack, wie Küchenchef Micha Schäfer zur letzten Sterne-Vergabe versprach.
Die in München erscheinende deutsche Ausgabe des Gourmetführers «Gault&Millau» kürte gerade Andreas Krolik vom Frankfurter Restaurant «Lafleur» zum Koch des Jahres. Der 42-Jährige sei einer der besten Gemüseköche Deutschlands, lautete die Begründung. Krolik erreichte 18 von 20 möglichen Punkten. Die Restaurantkritiker des «Gault&Millau» berichteten von einem Trend zur Reduktion auf das Wesentliche in deutschen Spitzenküchen. Die Ausgabe 2017 erklärt dazu: «Selbstbewusste Konzentration auf ein Hauptprodukt und zwei, drei Aromate, die es mit Spannung aufladen, heißt die neue Devise.»
Der «Guide Michelin» des Jahres 2016 zählt 290 ausgezeichnete Restaurants in Deutschland auf, acht mehr als ein Jahr zuvor. Gemessen an der Zahl der Sterne ist das nach Frankreich Rang zwei in Europa. An der Spitze der aktuell zehn mit drei Sternen gekrönten Küchenchefs steht unangefochten Harald Wohlfahrt aus Baiersbronn im Schwarzwald. Durch seine Schule ging eine ganze Generation ausgezeichneter Küchenchefs. Auf einen besonderen Rekord kann das Restaurant «Adler» in Häusern im Schwarzwald stolz sein. Seit der ersten deutschen Ausgabe des «Guide Michelin» im Jahr 1966 erhielt es in jedem Jahr einen Stern.
Ob sich ein weiterer Trend des Vorjahres fortsetzt, nämlich der Aufstieg Berlins zur Gourmet-Hauptstadt mit inzwischen 20 Sterne-Restaurants, wird sich am Donnerstag an Ort und Stelle zeigen. Die Spitzenreiterrolle Baden-Württembergs mit bisher 74 im «Guide Michelin» ausgezeichneten Restaurants dürfte auf jeden Fall fortbestehen. Der Vorsprung auf Bayern (49) ist riesig. (DPA)