Auf den ersten Blick erfüllte der schicke Altbau alle Wünsche der Familie: saniert, zentrumsnah, für Doppelverdiener gerade noch bezahlbar. Doch kurz nach dem Einzug gab es Probleme mit Feuchtigkeit und bröckelndem Putz. Der Bauträger, der die Wohnungen im Haus gerade erst aufgeteilt und verkauft hatte, unternahm allerdings nichts. Im Gegenteil: In der Eigentümersammlung verhinderten seine Abgesandten für ihn kritische Beschlüsse.
Solche Schwierigkeiten sind nach Beobachtung von Verbraucherschützern und Juristen typisch für die Anfangsphase frisch entstehender Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG).
Denn der Bauträger ist selbst meist Mitglied dieser werdenden WEG. Die Folge: Er kann Entscheidungen seiner Miteigentümer in der WEG-Versammlung blockieren. «Zu Beginn hat er die meisten Stimmen, weil ihm die noch unverkauften Wohnungen gehören», erklärt der Rechtsanwalt Michael Eggert den Hintergrund.
Erwerber haben in der werdenden WEG oft ziemlich wenig zu bestimmen: Bauträger und Entwickler legen nicht nur die Gemeinschaftsordnung fest, sondern darüber hinaus den ersten Verwalter. Manche machen diesen Job sogar selbst. Die Amtszeit dieses ersten Verwalters ist gesetzlich auf drei Jahre begrenzt; spätere Verwalter dürfen für maximal fünf Jahre bestellt werden. Diese Fristen werden in der Regel ausgeschöpft. Die Begrenzung soll Mauscheleien vorbeugen.
Trotzdem birgt die Rolle der Verwaltung Zündstoff oder wie Hartmut Schwarz von der Verbraucherberatung Bremen es umschreibt: «Die Zeit ist nicht problemfrei.» Oft krache es, weil die Verwaltung als verlängerter Arm des Entwicklers beispielsweise nichts gegen Mängel unternehme. Dieser Punkt erfordert aber zügiges Handeln. «Rechtliche Schritte müssen vor Ablauf der fünfjährigen Gewährleistungsfrist eingeleitet werden», erläutert Eggert.
Allerdings kann nur eine normale WEG baurechtliche Ansprüche effektiv geltend machen. Diesen Status erreicht die Vorgemeinschaft mit dem Verkauf des letzten Objekts und dem Eintrag des Erwerbers ins Grundbuch. Formal kann sich das Entstehen der normalen WEG über Jahre hinziehen. Zum Beispiel, weil die Anlage riesengroß ist, um Baumängel gestritten wird, Käufer die Schlussrate nicht zahlen und der Entwickler deshalb den Grundbucheintrag blockiert. In dieser Übergangsfrist bilden die anderen Käufer die werdende WEG. Mitglied ist, wer sowohl eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch hat als auch die Wohnungsschlüssel besitzt, befand der Bundesgerichtshof (BGH) (Az.: V ZR 80/15).
Theoretisch haben «die Mitglieder der werdenden WEG die gleichen Rechte und Pflichten wie eine normale WEG», sagt Verbraucherschützer Schwarz. Zur Pflicht gehört die Hausgeldzahlung. Diese ist auch für nicht fertig gestelltes Gemeinschaftseigentum wie Garten und Spielplatz fällig. Zu den Rechten gehört, dass die Hausverwaltung die Eigentümerversammlung einberuft und den Jahresabschluss vorlegt. «In der Praxis wird das nicht so gelebt», stellt Schwarz fest.
Entwickler tricksen gelegentlich bei den Kosten: Sie legten zum Beispiel den Wirtschaftsplan nicht offen, obwohl die anderen die Gemeinschaftsausgaben über das Hausgeld mitfinanzierten, moniert Schwarz. Auf diese Intransparenz sollten sich insbesondere Erstkäufer einstellen. Wer sich eine Immobilie sichern will, sollte zunächst eine Kaufoption vereinbaren und abwarten, bis weitere Interessenten zugreifen. Zahl und Namen lassen sich über den Verkäufer in Erfahrung bringen. Mauert der mit Hinweis auf den Datenschutz, «bleibt angehenden Käufern die Möglichkeit, sich am Wochenende am Bauzaun umzusehen und die Leute anzusprechen», sagt Holger Freitag, Vertrauensanwalt des Verbandes privater Bauherren. So fänden sich gerade in großen Anlagen auch Miteigentümer, mit denen sich eine Interessengruppe bilden lässt. (DPA/TMN)