Wenn unbescholtene Internet-Nutzer Post vom Anwalt bekommen

Musik zum herunterladen: A und O ist es, das heimische WLAN gut gegen Hacker zu sichern. Foto: Oliver Berg/Symbolbild
Musik zum herunterladen: A und O ist es, das heimische WLAN gut gegen Hacker zu sichern. Foto: Oliver Berg/Symbolbild

Es ist eine Geschichte, wie sie vielen Internetnutzern Angst macht: Eine Frau tut im Netz nichts Unrechtes. Trotzdem soll sie Hunderte Euro an eine Filmfirma zahlen - weil ihr WLAN ohne ihr Wissen für illegale Uploads missbraucht wurde. Aber ist sie dafür wirklich verantwortlich? Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) stellt klar, dass ein Internetanschluss zwar verpflichtet, die Verantwortung aber Grenzen hat (Az. I ZR 220/15).

 

 

Warum sollte die Frau überhaupt haften?

Urheberrechte an Filmen, Musik oder Computerspielen werden im Internet oft über Tauschbörsen oder sogenannte Filesharing-Netzwerke verletzt. Die Täter laden sich die Datei unerlaubterweise über eine Software auf ihren Computer und stellen die bereits heruntergeladenen Teile davon gleichzeitig Anderen zur Verfügung. Das passiert nicht ohne Spuren. Über die IP-Adresse lässt sich zurückverfolgen, von welchem Anschluss aus eine Datei angeboten wurde. Damit steht aber nicht unbedingt fest, wer der Täter ist. In WGs oder Familien sind mehrere Leute über denselben Anschluss im Netz unterwegs, und in dem Fall vor dem BGH hackte sich ein Unbekannter von außen in das WLAN der Frau. Deshalb kommt hier die sogenannte Störerhaftung ins Spiel.

 

Störerhaftung - was ist das?

Ein «Störer» ist nach der Rechtsprechung des BGH, «wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt». Das kann also auch jemand sein, der nicht sichergestellt hat, dass sein Internetanschluss vor Missbrauch geschützt ist. Nach diesem Prinzip gehen einige Unternehmen in der Film- und Musikbranche systematisch gegen ermittelte Anschlussinhaber vor: Sie lassen Anwälte Abmahnungen verschicken und fordern für den entstandenen Schaden Geld.

 

Wie häufig sind solche Abmahnungen?

Nach einer Umfrage im Auftrag der Verbraucherzentralen sind sechs Prozent der Bundesbürger schon einmal abgemahnt worden. Die Verbraucherschützer haben außerdem Daten ihrer Berater und eine Online-Umfrage ausgewertet. Das Ergebnis ist nicht repräsentativ, vermittelt aber einen Eindruck. Demnach wollten die Abmahnkanzleien für einen außergerichtlichen Vergleich im Schnitt etwas mehr als 870 Euro. Dabei geht es meist um die Anwaltskosten. Schadenersatz dürfen die Rechteinhaber nur von Nutzern verlangen, die als Täter infrage kommen. Zum Schutz vor überzogenen Forderungen hat der Gesetzgeber die zulässigen Abmahnkosten 2013 in vielen Fällen gedeckelt. Die Verbraucherzentralen kritisieren aber, dass es Lücken gibt.

 

In welchen Fällen muss der Anschlussinhaber zahlen?

A und O ist seit einem BGH-Urteil von 2010, dass das private WLAN angemessen gesichert sein muss. Demnach kann erwartet werden, dass jemand die Standardeinstellungen seines Routers ändert und ein eigenes Passwort einrichtet. Es ist aber zum Beispiel nicht notwendig, auch danach immer auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben. Die Haftung für die eigenen Kinder, Angehörige oder Besucher hat ihre Grenzen: Kinder sind nachweisbar darüber aufzuklären, was verboten ist - ohne Verdacht müssen sie am Rechner aber nicht ständig kontrolliert werden. Volljährige sind für sich selbst verantwortlich und müssen auch nicht belehrt werden. Der Anschlussinhaber ist aber nur dann vor Forderungen sicher, wenn er glaubwürdig erklären kann, warum nicht er selbst, sondern ein anderer als Täter infrage kommt.

 

Was haben die Karlsruher Richter jetzt entschieden?

Diesmal geht es um die Verschlüsselung des Routers. Die Frau nutzte ein Gerät, bei dem von Werk ein individualisierter Schlüssel aus 16 Ziffern nach gängigem Standard (WPA2) voreingestellt war. Sie beließ es dabei und gab nur dem WLAN einen neuen Namen. Erst gut ein Jahr nach dem Hacker-Angriff warnte der Anbieter seine Kunden - es hatte sich herausgestellt, dass die Codes mit einem unsicheren Verfahren generiert wurden und deshalb leicht zu knacken waren. Die Frage war, ob die Frau das Passwort hätte ändern müssen.

 

Musste sie nicht: Nach Auffassung der Richter durfte sie der Verschlüsselung trauen. Solange jede Zahlenkombination nur genau einmal vergeben sei, gebe es keinen Anlass, daran zu zweifeln. Die Frau muss also nicht zahlen. (DPA)