Die Bahn will noch im Dezember Klage gegen ihre Projektpartner beim Milliardenvorhaben Stuttgart 21 einreichen. Ziel des Konzerns ist, dass nicht er allein, sondern auch die anderen Finanziers sich an den Mehrkosten von möglicherweise bis zu zwei Milliarden Euro beteiligen. Wo und bei welchem Gericht die Klage eingereicht wird, ist nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur noch unklar. Der Bahnvorstand wird am kommenden Dienstag formal über die Klage entscheiden.
Das Thema wird ebenfalls am Dienstag im grün-schwarzen Landeskabinett erörtert.
Trotz des drastischen Schrittes der Bahn betonte Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne): «Wir sind mit der Bahn einig, dass die Klage die Zusammenarbeit mit der DB bei Bahnprojekten generell und bei Stuttgart 21 nicht stören darf.» Dies hatte auch Bahnvorstand Volker Kefer nach dem letzten Treffen der Projektpartner betont. Hermann erwartet, dass bis zu einem letztinstanzlichen Urteil voraussichtlich mehrere Jahre vergehen. Auf den Baufortschritt bei der Neuordnung des Stuttgarter Bahnknotens mit dem umstrittenen Tiefbahnhof befürchtet der Konzern dem Vernehmen nach keine Verzögerung. Auch die «Stuttgarter Zeitung» (Freitag) hatte über die Pläne der Bahn berichtet.
Hintergrund des Streits ist, dass der Aufsichtsrat der Bahn im März 2013 eine Steigerung der Kosten von 4,526 auf 6,526 Milliarden Euro genehmigt hatte. Zugleich beauftragte er den Vorstand, mit den Projektpartnern über eine Übernahme von einem Teil der Mehrkosten zu verhandeln. Die Bahn scheiterte nun mit dem Versuch, das Land und die Stadt Stuttgart dazu zu bringen, einer längeren Verjährungsfrist für mögliche finanzielle Ansprüche zuzustimmen. Dieses Anliegen hatte die Bahn bereits im Oktober schriftlich an die Projektpartner herangetragen. «Die Vertragspartner sind der Auffassung, dass die Deutsche Bahn Bauherrin ist und dass die Vertragspartner begrenzte und vor allem freiwillige Zuwendungen gewähren», wies Minister Hermann etwaige Ansprüche zurück.
Die Verjährungsfrist für mögliche Bahnansprüche droht nach Lesart mancher Juristen Ende dieses Jahres auszulaufen. Die Bahn hatte 2013 die sogenannte Sprechklausel gezogen und anschließend Gespräche mit Vertretern des Verkehrs-, Finanz- und Staatsministeriums geführt, um eine Aufteilung zusätzlicher Kosten zu vereinbaren. Das Land blieb bei seinem Standpunkt, die Sprechklausel im Finanzierungsvertrag von 2009 verpflichte lediglich dazu, sich mit der Bahn an einen Tisch zu setzen. Der Konzern hingegen leitet daraus die Verpflichtung seiner Partner ab, sich auch finanziell mehr zu engagieren.
Das Land trägt zu den Gesamtkosten 930 Millionen bei, die Stadt Stuttgart knapp 300 Millionen. Beide weigern sich, mehr zu zahlen. Die Stuttgarter Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) schlägt dem Gemeinderat vor, keine Vereinbarung zur Fristverlängerung abzuschließen. Eine solche Entscheidung wird vorrausichtlich auch im Ministerrat kommende Woche fallen.
Die Klage der Bahn auf eine «angemessene» Verteilung der Kosten richtet sich gegen alle Partner - also auch gegen den Verband Region Stuttgart und den Landesflughafen. Wenn die Bahn vor Gericht einen Erfolg verzeichnen würde, wären die Beträge ihrer Projektpartner erst 2019 fällig. Dann wird die Hürde von 4,5 Milliarden Euro übersprungen. Die Bahn hat bislang 1,9 Milliarden Euro ausgegeben. Dem Vernehmen nach will das Unternehmen die Mittel in jedem Fall vorfinanzieren, damit die Bauarbeiten nicht still stehen. Schon einmal mussten die Projektpartner Mittel zuschießen, um einen Risikopuffer von rund 1,5 Milliarden Euro auszustatten. Damals entfielen 35 Prozent auf die Bahn und 65 Prozent auf Stadt und Land.
Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel meinte, die Bahn habe durch schlechte Planungen und falsche Kalkulationen einen großen Teil der Mehrkosten selbst verursacht. Überdies müsse die Bundesregierung nun Verantwortung für die Kostenexplosion und für den Staatskonzern Deutsche Bahn übernehmen. (DPA/LSW)