Wer 60 Jahre oder älter ist und sich erst dann Wohneigentum zulegen möchte, stößt möglicherweise auf Probleme. Es kann sein, dass die Bank oder Sparkasse sich weigert, Älteren einen Immobilienkredit zu gewähren. Grund dafür ist eine neue Norm der EU mit der sperrig klingenden Bezeichnung Wohnimmobilienkredit-Richtlinie. Seit März 2016 gilt sie in Deutschland. «Verschiedene Formulierungen im Gesetz, so argumentieren zumindest einige Kritiker, erschweren oder verhindern eine Kreditvergabe an Ältere», sagt Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen in Düsseldorf. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Ältere auf Schwierigkeiten stoßen, wenn sie eine Anschlussfinanzierung für ihren bereits laufenden Kredit suchen.
Denn nach den neuen Vorgaben dürfen Banken und Sparkassen Immobilienkredite nur noch an Kunden vergeben, deren laufende Einnahmen ausreichend hoch sind. Aber nicht nur das. Die Kreditnehmer müssen auch in der Lage sein, das Darlehen noch zu ihren Lebzeiten zurückzuzahlen. «Unter dieser Annahme ist es für Menschen ab 60 dann in der Tat schwer, einen Kredit zu bekommen», räumt Scherfling ein.
«Die neuen gesetzlichen Regelungen haben gewisse Veränderungen gegenüber der bisherigen Praxis mit sich gebracht», davon ist Julia Topar vom Bundesverband deutscher Banken in Berlin überzeugt. Das war vom europäischen Gesetzgeber auch ausdrücklich gewollt. Das Ziel: Privatleute vor Überschuldung zu schützen. «Für eine zuverlässige Beurteilung, welche Auswirkungen die Neuregelung auf die Kreditvergabe an Bankkunden haben wird, ist es aber noch zu früh», teilt Topar mit. Denn die Vorschrift ist erst vor gut einem halben Jahr in Kraft getreten.
Vorher war es einfacher: Bis März 2016 konnten die Geldinstitute bei der Kreditvergabe als zentrales Kriterium die Immobilie selbst als Sicherheit zugrunde legen. So konnten Verbraucher den Kredit und das Wohneigentum problemlos vererben.
Das ist heute, je nach Auslegung der Richtlinie, nicht mehr möglich. Allerdings sagt Scherfling: Die neue Gesetzeslage verneine auch nicht, dass die Immobilie - als eins von mehreren Kriterien - eine Sicherheit bei der Prüfung der Kreditwürdigkeit darstellt. Seiner Einschätzung nach dürfe die Prüfung auf Kreditwürdigkeit nur nicht hauptsächlich darauf gestützt werden, dass der Immobilienwert voraussichtlich zunimmt oder den Darlehensbetrag übersteigt.
«Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung spielen für das jeweilige Geldinstitut zahlreiche Faktoren eine Rolle», betont auch Topar. Max Herbst von der FMH-Finanzberatung in Frankfurt am Main ergänzt: «Wenn die Bonität in Ordnung ist, wird einem Älteren ein Kredit oder gegebenenfalls eine Anschlussfinanzierung sehr wahrscheinlich nicht verweigert.» Das gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil Senioren aufgrund der demografischen Entwicklung für die Banken und Sparkassen immer wichtiger werden. Nach einer Studie des Bankenverbandes aus dem Jahr 2014 fragen aber verhältnismäßig wenige Ältere überhaupt nach einem Darlehen. «Nur 31 Prozent der Senioren haben einen Kredit», so Topar.
Dennoch: Wer im Alter von über 60 Jahren einen Immobilienkredit braucht, sollte nicht nur bei seiner Hausbank nachfragen, empfiehlt Scherfling. In jedem Fall sollten auch noch andere Banken kontaktiert werden. «Im Punkt Kreditvergabe handeln nicht alle Geldinstitute gleich», betont auch Herbst.
Manche überlegen zu tricksen - indem sie formal die erwachsenen Kinder das Darlehen aufnehmen lassen, aber in Wirklichkeit selbst die Raten zahlen. Sie sollten unbedingt die rechtlichen und steuerlichen Konsequenzen bedenken, warnt Scherfling. Denn was passiert, wenn etwa die Eltern vor Rückzahlung des Kredits sterben? Oder die Ehe des Kindes scheitert? Probleme könnte es auch geben, wenn die Eltern die Immobilie dem Kind vorzeitig schenken, dafür aber lebenslanges Wohnrecht fordern. «Bei solchen vermeintlichen Lösungen können schnell ungewollt und unbewusst Situationen entstehen, die keiner der Beteiligten will», betont der Verbraucherschützer. Auch Herbst rät: «Erben sollten möglichst bei der Kreditaufnahme außen vor bleiben.»
Wer dennoch diese Option in Erwägung zieht, sollte im Vorfeld einen Fachanwalt oder Steuerberater kontaktieren. Und dann - um den Familienfrieden nicht zu gefährden - alles schriftlich festhalten und die Erben informieren, empfiehlt Scherfling. (DPA/TMN)