Junges DFB-Team besteht Härtetest in Italien

Italiens Keeper Gianluigi Buffon kommt vor Thomas Müller an den Ball. Foto: Guido Kirchner
Italiens Keeper Gianluigi Buffon kommt vor Thomas Müller an den Ball. Foto: Guido Kirchner

Auch die Pfiffe gegen Thomas Müller beeindruckten den Weltmeister nicht. Eine völlig neu zusammengestellte deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat den Härtetest in Italien zum Jahresabschluss mit einem 0:0 bestanden. Zwar verpasste das Team von Trainer Joachim Löw vor 48 600 Fans im Mailander Giuseppe-Meazza-Stadion den dritten Jahressieg gegen die Azzurri. Mit viel Einsatz und ein wenig Glück blieb das DFB-Team aber auch im sechsten Spiel der Saison ohne Gegentor.

Bundestrainer Joachim Löw, der auch in Italien zahlreichen Nachwuchskräften eine Chance gab, kann mit dem Neuaufbau nach der EM äußerst zufrieden sein. «Taktisch haben wir das über weite Strecken sehr gut gemacht», sagte Löw in der ARD und sprach von «wichtigen Erkenntnissen und Aufschlüssen.» In der Nachspielzeit wäre der DFB-Elf fast noch ein Tor gelungen: Ein Kopfball von Benedikt Höwedes ging aber knapp vorbei (90.+2).

 

«Man kann absolut zufrieden sein. Das sechste Spiel zu Null kann man auch mal hervorheben», sagte Löw. «Insgesamt muss ich den Jungs ein Kompliment machen, wir haben eine gute Truppe, und ich bin stolz, dass ich sie aufs Feld führen durfte», sagte Müller und sprach von «zwei unterschiedlichen Halbzeiten». «Das war ganz ordentlich, insgesamt geht das 0:0 absolut in Ordnung», sagte Höwedes.

 

Von Beginn an stand Aushilfs-Kapitän Müller im Blickpunkt der Partie. Der Münchner wurde permanent ausgepfiffen als Reaktion auf seine Aussagen nach dem 8:0-Sieg in der WM-Qualifikation gegen San Marino («Mit professionellem Fußball hatte das nichts zu tun»). Bei der Nationalhymne bekam die ganze deutsche Mannschaft den Unmut der Zuschauer zu spüren. Erst als die italienischen Profis demonstrativ applaudierten, gab es vereinzelt auch Beifall für die Gäste.

 

Noch während der ersten Halbzeit meldete sich jedoch Müller-Kritiker Alan Gasperoni, der in einem viel beachteten Beitrag in den sozialen Medien für Wirbel gesorgt und Müller in zehn Punkten teilweise persönlich angegangen hatte, und äußerte sich «enttäuscht und traurig» über die Pfiffe. «Ich war ein bisschen überrascht, ich habe es absolut nicht in diese Richtung gemeint», sagte Müller nach der Partie. Sportlich lief es für den Angreifer im Klassiker gegen Italien - wie zuletzt schon mehrfach - eher unglücklich.

 

In der 44. Minute hatte der Bayern-Profi zwar die bis dahin beste Möglichkeit. Nach einer Vorlage des Schalkers Leon Goretzka mit der Hacke blockte Leonardo Bonucci den Schuss noch ab. Ansonsten aber mühte sich der 27-Jährige ohne Fortune und Torerfolg und musste sich auch bei seiner Auswechslung nach einer Stunde wieder Pfiffe anhören.

 

In Löws ungewöhnlicher Aufstellung stand Müller anfangs als einzige echte Offensivkraft auf dem Platz. Auf Mario Götze und den zuletzt leicht angeschlagenen Mario Gomez verzichtete der Bundestrainer zunächst. Einen Tag nach der emotionalen Audienz bei Papst Franziskus feierte Yannick Gerhardt vom VfL Wolfsburg als 86. Neuling in der Ära Löw sein Debüt im DFB-Trikot. Goretzka nahm in seinem dritten Länderspiel eine recht offensive Rolle ein und hatte auch nach zwölf Minuten die erste große Chance der Partie. Nach einem feinen Pass von Ilkay Gündogan lief Goretzka auf Italiens Torwart-Routinier Gianluigi Buffon zu, wurde aber im letzten Moment von dem 38-Jährigen gestoppt.

 

Eine Minute später musste Bernd Leno, der den kranken Kapitän Manuel Neuer im deutschen Tor vertrat, erstmals eingreifen. Einen Schuss von Daniele Rugani lenkte der Leverkusener über die Latte. Im Gegensatz zum Spaziergang gegen San Marino entwickelte sich im altehrwürdigen Mailänder Giuseppe-Meazza-Stadion von Beginn an ein intensives und aggressives Spiel mit hohem Tempo und reichlich Offensivszenen.

Der frühere Dortmunder Ciro Immobile verpasste knapp das Tor des herauslaufenden Leno (25.), auf der Gegenseite rettete Buffon nach einer Hereingabe von Müller vor den einschussbereiten Gerhardt und Gündogan (27.). Die Zuschauer sahen ein unterhaltsames 0:0.

Die neuformierte deutsche Elf versuchte im 35. Duell der beiden viermaligen Weltmeister, mit spielerischen Mitteln den Gegner zu überraschen, im Abschluss fehlten allerdings Cleverness und Kaltschnäuzigkeit. In der zweiten Halbzeit wurde der Offensivdrang der Italiener größer - auch weil es die Deutschen nicht mehr so gut verstanden, für Entlastung zu sorgen. Die motivierten Gastgeber erhöhten nun den Druck auf das Tor von Leno.

 

Löw jedoch nahm wie angekündigt keine Rücksicht auf das Ergebnis und wechselte weitere Spieler der kommenden jüngeren Generation wie Jonathan Tah oder den gegen San Marino dreimal erfolgreichen Serge Gnabry ein. Das Kombinationsspiel litt darunter merklich, nur sporadisch sorgten die Deutschen mit einzelnen Aktionen für Gefahr.

 

Andrea Belotti forderte in der 55. Minute nach einem Laufduell mit dem Leverkusener Tah einen Elfmeter, den Schiedsrichter Artur Soares Dias aber zurecht nicht gab. Der für Müller ins Spiel gekommene Kevin Volland lenkte wenig später den Ball nach einer Flanke von Joshua Kimmich ins Netz, stand dabei aber wohl ganz knapp im Abseits (63.). Leno hielt gegen den eingewechselten Federico Bernardeschi stark (71.), Immobile schoss knapp vorbei (74.). Die beste Möglichkeit vergab Belotti, der aus elf Metern nur den Pfosten traf (82.). (DPA)