Nach siebenjährigen Verhandlungen und leichtem Stolpern im dramatischen Endspurt ist es soweit: Der europäisch-kanadische Handelsvertrag Ceta soll morgen unterzeichnet werden. Dann kommen beide Seiten zu einem gemeinsamen Gipfeltreffen in Brüssel zusammen, wie EU-Ratspräsident Donald Tusk am Freitag über den Kurzmitteilungsdienst Twitter mitteilte. Kurz zuvor hatten die EU-Staaten den europäisch-kanadischen Handelsvertrag Ceta offiziell gebilligt.
«Mission accomplished! (in etwa: Auftrag erledigt)», twitterte Tusk. «Gerade mit PM @JustinTrudeau vereinbart, den EU-Kanada-Gipfel diesen Sonntag abzuhalten». Kanadas Premier Justin Trudeau sprach auf Twitter von «großartigen Neuigkeiten». Er dankte seiner Handelsministerin Chrystia Freeland «für ihre Fähigkeit und ihr Engagement bei den Verhandlungen zu einem Vertrag, der Kanadas Mittelstand wachsen lassen und unsere Wirtschaft stärken wird».
Trudeau reist damit doch noch nach Brüssel - drei Tage, nachdem ein erstes Gipfeltreffen wegen Widerstands aus Belgien gegen Ceta ins Wasser gefallen war. Für die EU sollen nach früheren Angaben Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker das Abkommen unterzeichnen.
Nachdem alle EU-Staaten Ceta zugestimmt haben, informierte Tusk Trudeau per Telefon, hieß es aus EU-Kreisen. Dabei habe Tusk dem kanadischen Premier für seine Geduld gedankt - daran werde er sich stets erinnern. Trudeau sagte demnach, er freue sich darauf, Tusk, EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und den Präsidenten des Europaparlaments, Martin Schulz, am Sonntag zu sehen.
Der slowakische Regierungschef Robert Fico, dessen Land gerade den Vorsitz der EU-Staaten hat, lobte Ceta als «Meilenstein der EU-Handelspolitik». Im Handel zwischen der EU und Kanada soll Ceta nach EU-Angaben 99 Prozent der aktuellen Zölle abschaffen.
In Belgien segneten im Laufe des Freitags mehrere Regional- und Sprachparlamente Ceta ab - so konnte am Ende auch die belgische Regierung zustimmen. Vor allem die Region Wallonie hatte sich bis zuletzt gegen Ceta gestemmt. Ohne das Einverständnis der gerade mal 3,6 Millionen Einwohner zählenden Region hätte die belgische Regierung die Unterzeichnung des Abkommens verweigern müssen. Dies hätte das Aus für das Handelsabkommen bedeuten können. Denn damit es in Kraft treten kann, müssen es alle 28 EU-Staaten unterzeichnen. Der Handelspakt soll Zölle und andere Hemmnisse abbauen und so Handel und Wirtschaft beflügeln.
Den Bedenken der Ceta-Kritiker soll nun mit Zusatzerklärungen und Garantien Rechnung getragen werden. So wird beispielsweise festgestellt, dass die Belgier Konkurrenz für ihre Landwirte im Notfall über eine Schutzklausel abhalten können. Zudem soll der Europäische Gerichtshof (EuGH) aufgefordert werden, ein Gutachten zu den umstrittenen Regelungen zur Streitbeilegung zwischen Unternehmen und Staaten zu erstellen.
Im wallonischen Parlament feierte der Regierungschef der Region, Paul Magnette, die Zugeständnisse. Ceta sei nun ein «besserer Vertrag» und das wallonische Regionalparlament in aller Welt berühmt, erklärte er.
Die Bundesregierung hob am Freitag die wirtschaftlichen Vorteile des Freihandelsabkommens hervor. Der Pakt der EU mit Kanada sichere und schaffe viele Arbeitsplätze, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer in Berlin. Er stehe für einen Welthandel mit nachhaltigen Regeln und hohen Sozial- und Umweltstandards.
Bevor Ceta in Kraft treten kann, ist zunächst noch das Europaparlament am Zug. Das Plenum dürfte im Dezember oder Januar über das Abkommen abstimmen, eine Mehrheit wird erwartet. Danach müssen die nationalen Parlamente Ceta billigen.
Die Linke im Bundestag versuchte indes am Freitag, Ceta zu verhindern. Eigentlich wollte die Fraktion beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit einem Eilantrag erwirken, dass Deutschland am Freitag nicht zustimmen konnte. Dies hat offenbar nicht funktioniert.
Allerdings hat die Linke auch einen Hilfsantrag gestellt. In diesem Fall sollen die Verfassungsrichter die Bundesregierung verpflichten, Ceta zu einem späteren Zeitpunkt zu blockieren, nämlich bevor Kanada über die Zustimmung des EU-Parlaments unterrichtet wird. (DPA)