Gelingt es deutschen Ceta-Gegnern, das umstrittene Freihandelsabkommen noch auf der Zielgeraden aufzuhalten? Letzte Chance ist die Anrufung des Bundesverfassungs-gerichts in Karlsruhe - dort fällt heute und Donnerstag die Entscheidung. Im kurzfristig anberaumten Eilverfahren verhandelt und urteilt der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle über mehrere Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Die Zeit drängt, denn das fertig verhandelte Abkommen der EU mit Kanada soll am 27. Oktober feierlich unterzeichnet werden.
Vorgesehen ist, dass Teile davon nach Zustimmung des EU-Parlaments dann bereits vorläufig in Kraft treten. Der Bundestag und die Parlamente der anderen EU-Staaten würden Ceta erst anschließend zustimmen.
Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) will am Mittwoch persönlich nach Karlsruhe kommen. Der Vizekanzler erhofft sich von dem gemeinsamen Handelsraum fast ohne Zölle wirtschaftliche Impulse und neue Absatzmärkte. Die Ceta-Gegner halten das Abkommen dagegen für verfassungswidrig: Es untergrabe demokratische Prinzipien und gefährde den Umwelt- und Verbraucherschutz. Sie wehren sich beispielsweise gegen die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen und die Einrichtung eines Gerichts für Investitionsstreitigkeiten.
Mit den Eilanträgen wollen sie die vorläufige Anwendung von Ceta verhindern. Dafür braucht es vor dem EU-Kanada-Gipfel noch mehrere Beschlüsse im EU-Ministerrat. Die Kläger wollen erreichen, dass das Gericht den Vertreter der Bundesregierung dazu verpflichtet, dort am 18. Oktober mit Nein zu stimmen.
Läuft alles nach Plan, will der Senat am Mittwoch über die Anträge verhandeln, anschließend beraten und am Donnerstag um 10.00 Uhr seine Entscheidung verkünden.
Dabei klären die Verfassungsrichter zunächst nur, ob nicht wiedergutzumachende Nachteile entstehen, wenn die EU bei Ceta schon einmal Fakten schafft. Umgekehrt wägen sie auch ab, welchen politischen und wirtschaftlichen Schaden eine deutsche Blockade anrichten würde. Über die Verfassungsbeschwerden selbst wird erst später entschieden - es sei denn, das Gericht erklärt sie direkt für unzulässig oder offensichtlich unbegründet (Az. 2 BvR 1368/16 u.a.).
Zwei der Verfassungsbeschwerden sind die größten jemals eingereichten Bürgerklagen: Das Bündnis «Nein zu Ceta», initiiert von der Verbraucherorganisation Foodwatch und den Vereinen Campact und Mehr Demokratie, hat mehr als 125 000 Mitkläger mobilisiert. Eine 70-Jährige aus NRW hat eine Klage mit mehr als 68 000 Vollmachten eingereicht. Für den Erfolg der Klagen spielt das aber keine Rolle.
Außerdem klagen gut 60 Bundestagsabgeordnete der Linken in Karlsruhe gegen Ceta. Die Fraktion hat parallel ein Organstreitverfahren gegen die Bundesregierung angestrengt. Die vierte Verfassungsbeschwerde kommt von dem Europaparlamentarier Klaus Buchner (ÖDP). (DPA)