Die Vorzeichen für die diesjährige IAA Nutzfahrzeuge sind nicht gerade rosig. Einstige Wachstumsmärkte brechen weg. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) rechnet in Brasilien mit einem Einbruch von 25 Prozent. Auch in den USA geht man nach Jahren des Wachstums von 15 Prozent Minus aus. Weltweit erwartet der Branchenverband zwar ein leichtes Plus von drei Prozent auf 2,8 Millionen bei den schweren Lastwagen von mehr als sechs Tonnen. Doch die Stimmung in der Branche ist nicht euphorisch.
Die Märkte entwickelten sich regional sehr verschieden, stellte VW-Nutzfahrzeugchef Andreas Renschler in Hannover fest. Insgesamt sei es aber ein gutes Jahr vor allem in Europa. Anders sei es in Nordamerika: «Wir erwarten für den Gesamtmarkt einen Rückgang um rund 10 Prozent.» Volkswagen hatte sich zuletzt beim US-Anbieter Navistar eingekauft, um auf dem wichtigen US-Markt überhaupt Fuß zu fassen. VW ist mit den Lkw-Marken MAN und Scania sowie dem Eigengewächs für leichtere Nutzfahrzeuge stark in Europa und Südamerika, hat aber etwa in den USA und Asien Nachholbedarf.
Konkurrent Daimler schlug hingegen vorsichtigere Töne an. Genau wie der VDA sprach der Truck-Chef des Stuttgarter Konzerns, Wolfgang Bernhard, von einem schwieriger werdenden Umfeld. Bernhard hatte schon mehrfach über den strengen Preiswettbewerb im europäischen Geschäft geklagt. Nach plus 17 Prozent bei den Verkäufen bis zum Juli lasse sich dieses Niveau in Richtung Jahresende nicht halten. «Es gibt keinen Grund zur Alarmstimmung», meinte Bernhard. Aber die jüngste Lage stimme ihn zurückhaltender.
Daimler dominiert den Markt der schweren Nutzfahrzeuge jenseits der Sechs-Tonnen-Klasse weltweit neben dem chinesischen Anbieter Dongfeng und FAW sowie Volvo und den VW-Marken MAN und Scania.
Vor allem die Schwäche in Südamerika und den USA machen Daimler zuletzt zu schaffen. Wegen des Gegenwinds in Nordamerika hatten die Stuttgart in diesem Jahr schon einmal ihre Prognose für die Nutzfahrzeuge kassiert. Der Gewinn vor Zinsen und Steuern werde 2016 «erheblich» sinken. «Erheblich heißt mehr als zehn Prozent Rückgang», erläuterte Bernhard. Verglichen mit ähnlichen Jahren in der jüngeren Vergangenheit stehe Daimler aber beim Gewinn besser da. «Wir haben mehr Wasser unterm Kiel. Wir sind robuster.»
Auch die Zulieferer äußerten sich zufrieden: Bosch erwartet unterdessen dieses Jahr ein wechselkursbereinigtes Plus in seiner Kfz-Sparte von annähernd fünf Prozent, sagte Spartenchef Rolf Bulander auf der IAA. Das Unternehmen hatte Anfang 2016 eine Sparte für das Nutzfahrzeug-Geschäft ausgegründet, die etwa ein Viertel der Umsätze ausmacht, und setzt große Hoffnungen in sie. Zuletzt erzielte der gesamte KfZ-Bereich 41,7 Milliarden Euro Erlös - 60 Prozent der gesamten Umsätze des Automobilzulieferers. Auch Konkurrent Mahle konnte in den ersten sechs Monaten dank der Übernahmen im Vorjahr zweistellig zulegen: Der Umsatz sei gegenüber dem Vorjahreszeitraum um 12 Prozent auf rund 6,2 Milliarden Euro gewachsen, sagte Firmenchef Wolf-Henning Scheider auf der Messe.
Das Branchentreffen begann mit einem Pressetag, für Besucher ist die IAA Nutzfahrzeuge vom 22. bis 29. September geöffnet. Sie befasst sich unter anderem mit Autopilot-Funktionen, die Unfälle vermeiden und den Abgasausstoß reduzieren sollen. Auch Digitalisierung und Vernetzung spielen eine große Rolle. Dieser Trend könnte Lkw-Fahrer entlasten, Routen optimieren und Wartezeiten verkürzen. Auch alternative Antriebe haben auf dem Messegelände ihren Platz. Dort präsentieren sich 2013 Aussteller aus 52 Ländern mit 332 Premieren.
Wichtiges Thema sind die Elektroantriebe. Die Chefs der großen Lkw-Bauer müssen damit rechnen, dass ihre lauten Dieselmotoren in Städten bald nicht mehr gut gelitten sind. «Wir kommen in ein Fenster, in dem wir ernsthaft über Elektroantriebe für leichte und schwere Nutzfahrzeuge im Stadtverkehr nachdenken können», sagte Bernhard, der verschiedene Lastwagen mit Elektroantrieb in diversen Reifestadien vorstellte. Ähnlich äußerte sich Renschler, der den Prototypen für eine neue elektrisch betriebene Lkw-Zugmaschine der Marke MAN vorstellte. (DPA)