Innenminister Herrmann kritisiert Flüchtlingspolitik

Die wahre Identität der registrierten Flüchtlinge kann oft nicht überprüft werden. Foto: Armin Weigel
Die wahre Identität der registrierten Flüchtlinge kann oft nicht überprüft werden. Foto: Armin Weigel

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) kritisiert nach den Anti-Terror-Razzien in Norddeutschland die deutsche Flüchtlingspolitik. «Die eklatanten Kontroll-lücken beim immensen Flüchtlingsstrom vor allem im Herbst letzten Jahres rächen sich.» Tausende Menschen seien ohne ausreichend geprüfte Identität nach Deutschland gekommen, sagte Herrmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Wir wissen mittlerweile, dass auch der IS diese Sicherheitslücken gezielt genutzt hat, um Attentäter als Flüchtlinge getarnt nach Europa zu schleusen.»

 

Daher sei es dringend notwendig, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) im Asylverfahren möglichst schnell und sorgfältig die Personalien aller bereits eingereisten Asylbewerber eingehend überprüft. Wichtig sei zudem eine gute Grenzsicherung. «Wir brauchen strikte Grenzkontrollen und klare Identitäten derjenigen, die zu uns ins Land kommen», sagte der Minister. «Personen, deren Identität nicht zweifelsfrei feststeht, müssen bis zur Klärung an der Grenze festgehalten werden.» Auch fordert Herrmann einen besseren Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden auf EU-Ebene.

 

Die Sicherheitsbehörden hatten gestern in Schleswig-Holstein drei mutmaßliche Mitglieder der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Die in Flüchtlingsunterkünften lebenden Männer im Alter von 17, 18 und 26 Jahren hatten syrische Pässe.

 

Zwei der drei Festgenommenen werden heute beim Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe vorgeführt. Ein BGH-Ermittlungsrichter muss nach Anhörung der Männer darüber entscheiden, ob ihre Haftbefehle aufrecht erhalten werden und sie in Untersuchungshaft kommen. Das dritte mutmaßliche IS-Mitglied war schon gestern beim BGH gehört worden.

 

Die Bundesanwaltschaft ermittelt wegen Terrorverdachts gegen die Männer. Nach Ansicht der Behörden waren sie im Auftrag des IS nach Deutschland gekommen, «um entweder einen bereits erhaltenen Auftrag auszuführen oder sich für weitere Instruktionen bereitzuhalten».

 

Das Thema beschäftigt heute auch den Landtag in Schleswig-Holstein. Innenminister Stefan Studt (SPD) will am Nachmittag im Innen- und Rechtsausschuss in Kiel über die Razzien und die aktuelle Bedrohungslage berichten. Die FDP hat für die kommende Woche eine Aktuelle Stunde zu dem Thema im Landtag beantragt.

 

Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) geht davon aus, dass die Verdächtigen einen Bezug zur Pariser Terrorserie im November 2015 haben. Es spreche alles dafür, dass dieselbe Schlepperorganisation, die bei den Attentätern von Paris aktiv gewesen sei, auch diese drei als Flüchtlinge getarnten Männer nach Deutschland gebracht habe. Bei den Beschuldigten Mahir Al-H. (17), Ibrahim M. (18) und Mohamed A. (26) könne es sich um eine «Schläferzelle» handeln.

 

Der Essener Terror-Experte Rolf Tophoven warnt angesichts der jüngsten Entwicklung vor verstärkten IS-Aktivitäten in Europa. «Die jetzt Festgenommenen sind über die gleiche Route nach Europa gereist. Hier ist jetzt der Beweis erbracht worden, dass der IS europaweit ein Netzwerk von Schleppern, Fälschern, Kommunikativstrategen und möglichen Attentätern aufbaut», sagte der Direktor des Instituts für Krisenprävention (IFTUS) der «Passauer Neuen Presse».

 

Festgenommen wurden die Beschuldigten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur in Ahrensburg und Großhansdorf östlich von Hamburg sowie in Reinfeld nahe Lübeck. Sie galten zum Teil als «Vorzeige-Flüchtlinge».

 

Mahir Al-H. soll sich vor einem Jahr im syrischen Al-Rakka dem IS angeschlossen haben und dort im Umgang mit Waffen und Sprengstoff ausgebildet worden sein. Mit den beiden anderen Beschuldigten reiste er mit falschen Pässen über die Türkei und Griechenland nach Deutschland ein - im Gepäck waren nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft ein höherer vierstelliger Bargeldbetrag des IS und Mobiltelefone mit vorinstalliertem Kommunikationsprogramm.

 

Der Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, verwies darauf, dass die wahre Identität der registrierten Flüchtlinge oft nicht überprüft werden könne. Das liege auch daran, dass in vielen Fällen aus den Herkunftsländern die nötigen Daten nicht vorlägen, sagte er der «Magdeburger Volksstimme». 80 Prozent der Ankommenden hätten keine Papiere. «Das ist ein Bedrohungspotenzial.» (DPA)