Mülheim/Ruhr (dpa) - Die Lage bei der angeschlagenen Supermarktkette Kaiser's Tengelmann ist offenbar noch dramatischer als bekannt. Mindestens 8000 Jobs bei der Supermarktkette seien akut gefährdet, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur von einer Person, die mit den Vorgängen vertraut ist. Die Kette mache inzwischen monatlich zehn Millionen Euro Verlust und könne nicht mehr auf eine juristische Lösung im Streit um die Ministererlaubnis für den Zusammenschluss mit Edeka warten.
Wie die dpa weiter erfuhr, leiden die Geschäfte der Kette zum Teil unter sinkenden Kundenzahlen. Außerdem hätten wichtige Mitarbeiter - etwa aus der IT - gekündigt. Kaiser's Tengelmann laufe deshalb die Zeit davon. «Es geht ums Eingemachte», hieß es in den Branchenkreisen.
Nach Informationen der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung» («WAZ», Samstag) will Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub bei einer außerordentlichen Aufsichtsratssitzung am 23. September einen Plan vorlegen, der die Schließung von Filialen und den Abbau von 5000 Arbeitsplätzen vorsieht - die meisten davon in Nordrhein-Westfalen. Eine Tengelmann-Sprecherin bestätigte am Samstag, dass für den 23. September eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung anberaumt sei. Zum Inhalt der Sitzung machte sie jedoch keine Angaben.
Der Hintergrund: Die Hängepartie um die Übernahme von Kaiser's Tengelmann durch Edeka dauert bereits seit zwei Jahren an. Zuletzt hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf die von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erteilte Ministererlaubnis für den Zusammenschluss vorläufig gestoppt. Eine juristische Klärung könnte Jahre dauern.
Die «WAZ» berichtete unter Berufung auf einen Insider, Haub sei nach zwei Jahren inzwischen mit seiner Geduld am Ende. Statt die Verluste in der Supermarktsparte weiter auszugleichen, neige er nun zur Aushandlung eines gleichermaßen teueren Sozialplans, um Filialen mit roten Zahlen loszuwerden. Sollte Haub dies umsetzen, wäre allerdings Gabriels Ministererlaubnis hinfällig.
Die wettbewerbspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, forderte den Bundeswirtschaftsminister angesichts der Medienberichte auf, seinen Kurs zu überdenken. «Statt in langwierigen Gerichtsverfahren die Ministererlaubnis erzwingen zu wollen, sollte Gabriel endlich umlenken und mit Kaiser's Tengelmann über rechtssichere Alternativen verhandeln.» Ein anteiliger Verkauf der Filialen an verschiedene Supermarktketten - nicht nur an Edeka allein - wäre nach Einschätzung der Grünen von Anfang an die bessere Alternative gewesen. «Diesen Weg sollte Gabriel nun endlich einschlagen.»
Das Bundeswirtschaftsministerium teilte am Samstag mit, es wolle Meldungen über die unternehmerische und geschäftliche Situation bei Kaiser's Tengelmann nicht kommentieren.
Die Gewerkschaft Verdi erinnerte den Tengelmann-Chef an seine Verantwortung für die Beschäftigten. «Wir beteiligen uns nicht an Spekulationen über einen möglicherweise drohenden Stellenabbau bei Kaiser's Tengelmann. Wir erwarten aber vom Eigentümer Karl-Erivan Haub, dass er im Rahmen des von ihm betriebenen Verkaufs die Verantwortung für den Erhalt und die Sicherheit der Arbeitsplätze in den Mittelpunkt stellt, um in einer schwierigen Situation eine gute Zukunft für die Beschäftigten zu ermöglichen», sagte ein Gewerkschaftssprecher. (DPA)