Mallorca: Eine Insel am Limit

Massentourismus auf Mallorca. Foto: Daniel Reinhardt
Massentourismus auf Mallorca. Foto: Daniel Reinhardt

Es macht sich am Flughafen bemerkbar, wo an nur einem Tag mehr als 180 000 Passagiere abgefertigt wurden. Es ist auf den Straßen zu spüren, die sich die Inselbewohner in dieser Saison mit bis zu 90 000 Mietwagen teilen müssen. Und es ist dieser Tage oft gehörtes Gesprächsthema an Bar-Tresen und auf Dorfplätzen: Mallorca ist voll. Zu voll, auch noch im September, meinen nicht wenige Einheimische. In den hitzigen Debatten fährt mancher Tourismus-kritiker gar kriegerisches Vokabular auf.

Es ist von «Invasion» die Rede, und von der «Hölle», in die die Urlaubermassen die «isla de la calma», die Insel der Ruhe, verwandelt hätten.

 

Palmas Vize-Bürgermeisterin Aurora Jhardi von der linken Protest-Partei Podemos ist davon überzeugt, dass die Insel längst an ihre Grenzen gestoßen sei. Sie sprach kürzlich offen vom Kollaps. Auch Tourismusminister Biel Barceló sieht den Tatsachen ins Auge: Dass sich im August zeitweise gleichzeitig über 2,1 Millionen Menschen auf den Balearen-Inseln drängten und auf jeden Einheimischen mindestens ein Tourist kam, sei nicht nur ein Rekordwert, sondern eine objektive Zahl, an der es nichts zu beschönigen gebe.

 

Ebenso wenig sei zu leugnen, dass der Urlauberansturm einem Teil der Bevölkerung mehr und mehr auf die Nerven gehe. «Das ist unzähligen Kommentaren auf Facebook und Twitter zu entnehmen und somit ebenfalls eine Tatsache», sagt Barceló der Deutschen Presse-Agentur. Allerdings sei Mallorca zur Hochsaison nun mal voll. «Das ist keine Neuigkeit, das ist schon seit 20 Jahren so.»

 

Neu ist allerdings, dass Barceló, der der linksökologischen Més-Partei angehört, seit seinem Amtsantritt im Frühsommer 2015 für ein nachhaltigeres Tourismusmodell und eine ausgewogenere Verteilung der Urlaubermassen übers ganze Jahr wirbt - wozu die sich wöchentlich überbietenden Rekordmeldungen so gar nicht passen wollen. Zahlen für August gibt es noch nicht, aber vorige Woche wurde gemeldet, dass es auf Mallorca im Juli mit 1,84 Millionen Besuchern einen Monatsrekord gab. 9 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Zahl deutscher Touristen stieg um 5 Prozent auf 609 000.

 

Eine eiligst aus dem Hut gezauberte Kampagne mit dem Titel «Willkommen nachhaltiger Tourismus» sollte die skeptischen Einheimischen wieder urlauberfreundlicher stimmen. Doch der Schuss ging eher nach hinten los: Mallorcas Umweltverband GOB strafte die Kampagne umgehend als wirklichkeitsfremd ab und protestierte vor dem Ministerium gegen den Ausverkauf der Insel. «Zu vermieten, von Juni bis Oktober» oder «Strand zu verkaufen» stand auf den sarkastisch formulierten Schildern der Demonstranten.

 

Während die Umweltaktivisten eine Beschränkung der Bettenzahlen oder gar ein Besucherlimit fordern, reagierte die Politik zurückhaltend. Es sei kein Tourist zu viel, so der Tenor im konservativen Lager. Sogar der sozialistische Wirtschafts-Inselrat Cosme Bonet warnte davor, «Türen zu schließen». Er plädierte stattdessen für Investitionen in eine verbesserte Infrastruktur. Die Zeitung «Última Hora» wies die GOB-Aktion als unverantwortlich zurück. «Es ist ein schwerer Fehler, ein tourismusfeindliches Klima zu schüren.» Der Tourismus sei schließlich die tragende Säule der Inselwirtschaft.

 

Trotzdem, die Rekordsaison hat zweifellos Schattenseiten: Immer mehr Bürgermeister sorgen sich um knapp werdende Wasser-Ressourcen. Die Kläranlagen arbeiten am Anschlag und stinken mancherorts zum Himmel. An manchen Tagen starten oder landen mehr als 40 Prozent aller Flüge mit Verspätung. Sogar Palmas Hafen wird an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit gebracht. Nichtverderbliche Güter vom Festland treffen teils erst nach drei Wochen ein - was so manchem Unternehmer die Geschäfte erschwert.

 

Am lautesten klagen Palmas Altstadtbewohner - und mitunter auch die lokalen Medien - derzeit über die Unmengen an Kreuzfahrttouristen, von denen zu Stoßzeiten bis zu 22 000 in die Innenstadt strömen. Sie seien nicht nur ein Ärgernis in den engen Gassen, sondern hätten den historischen Stadtkern längst in ein Museum verwandelt, wo sich Souvenirläden und Eisdielen aneinanderreihten. Das «wahre Leben» finde keinen Platz, so die Kritik. Eine Statistik der Hafenbehörde besagt jedoch, dass in dieser Saison bis Juli vier Prozent weniger Kreuzfahrtschiffe in Palma Halt machten als im Vorjahr.

 

Warnungen, dass sogar die Urlauber die Massen allmählich unerträglich finden und der Insel den Rücken kehren könnten, scheinen bisher weitgehend unbegründet. «Wir haben es in vollen Zügen genossen und kommen bestimmt wieder», sagt Familie Engel aus der Nähe von Düsseldorf, als sie nach einer Woche in Can Picafort den Heimflug antritt. «Man muss nur früh genug am Strand sein, dann bekommt man auch einen Platz.» Ein Tourist aus Hamburg reist ebenfalls zufrieden ab: Dass die Playa de Palma samt Ballermann im August prall gefüllt sei, sei wohl normal. «Und Stau haben wir zuhause deutlich mehr», sagt er in der Schlange am Check-in. (DPA)