Der Rechtsstreit mit einem Schlüssel-lieferanten droht sich bei Volkswagen hierzulande zu einem Flächenbrand auszuwachsen. Der Druck auf den Autobauer steigt massiv; eine rasche Lösung muss her, um den Lieferanten wieder zum Versorgen zu bewegen. Denn: Nach dem Passat-Werk in Emden, wo wegen der Querelen bereits Kurzarbeit ansteht, muss Volkswagen ab diesem Samstag auch in seinem Wolfsburger Stammwerk die Bänder des Erfolgsmodells VW Golf anhalten.
Damit trifft der Lieferstopp des externen Partners ins Herz des europäischen Branchenprimus, dem ganze Produktionstage wegbrechen.
Bisher hängt die juristische Auseinandersetzung am Landgericht in Braunschweig. Dort soll es am 31. August eine mündliche Verhandlung über eine umstrittene einstweilige Verfügung geben, mit der VW gegen den Zulieferer vorgeht. Das Urteil dazu könnte noch später fallen. Und auch dann scheint es ungewiss, ob der Zulieferer tatsächlich einlenkt. Womöglich könnte er weiter juristischen Widerstand leisten.
Daher fährt VW nun zweigleisig: Man sei gezwungen, die «zwangsweise Durchsetzung der Belieferung vorzubereiten», teilte VW auf Anfrage der «Süddeutschen Zeitung» (Freitag) mit. Dafür werde man alle Mittel nutzen, die laut Gesetz möglich seien. «Dazu gehören Ordnungsgeld, Ordnungshaft, Beschlagnahme, die über das Gericht beantragt werden», teilte VW dem Blatt mit. Parallel bemühe sich der Autobauer aber weiterhin um «eine gütliche Einigung». Auf welchen Kanälen, blieb unklar.
Laut einer internen Mitteilung hat VW seine Lieferpartner bereits über die nahende Zwangspause der Golf-Fertigung vom 20. bis 29. August im Stammwerk in Wolfsburg informiert. Grund sei der Lieferstopp. Ob VW für einen Teil der in Wolfsburg anstehenden Tage Kurzarbeit wie in Emden anmeldet, soll sich laut Konzernkreisen diesen Freitag klären. Vormittags gibt es laut Informationen der Deutschen Presse-Agentur ein Gespräch mit der örtlich zuständigen Arbeitsagentur.
In Emden hat VW für 7500 Menschen Kurzarbeit bereits angemeldet. Der Konzern prüft dieses Mittel derzeit auch für die Standorte Braunschweig, Zwickau, Kassel und eben Wolfsburg. Dort steht das Stammwerk von Europas größtem Autobauer. Es baut fast 4000 Wagen pro Tag, neben Golf auch Tiguan und Touran, deren Bänder nicht ruhen müssen.
Insgesamt könnten von dem Lieferstopp mehr als 20 000 VW-Mitarbeiter betroffen sein, wie die dpa erfuhr. Für Wolfsburg sei dabei denkbar, dass die fünf Werktage Montag bis Freitag in der nächsten Woche über Kurzarbeit aufgefangen werden. Der in dem internen Schreiben an die VW-Zulieferer genannte längere Zeitraum für den Produktionsstopp, der vom nächsten Samstag bis zum übernächsten Montag reicht, ist mit der umfangreichen Vorarbeit der Zulieferer zu erklären. Sie arbeiten auch am Wochenende, wenn die Bänder nicht laufen - etwa an Lagerplätzen.
Das Stammwerk in Wolfsburg ist die größte zusammenhängende Autofabrik der Welt. Sie baute 2015 mit insgesamt rund 815 000 Fahrzeugen fast ein Zehntel des gesamten globalen Absatzes des Zwölf-Marken-Konzerns. Zum Vergleich: Das Unternehmen hat weltweit rund 120 Produktionsorte.
Der niedersächsische Wirtschaftsminister und VW-Aufsichtsrat Olaf Lies (SPD) attackierte am Donnerstag im Landtag die Zulieferer. Es geht um zwei Schwesterfirmen, die derselben Muttergruppe zugerechnet werden. Die eine liefert Sitzbezüge für VW, die andere Gussteile für Getriebe. «Es ist ein unglaubliches und für mich nicht nachvollziehbares Verhalten der Unternehmen», sagte Lies vor den Abgeordneten. Die Unterbrechung der Lieferkette sei für den Autobauer eine «schwere Belastung».
Der Teilehersteller selbst wollte sich am Donnerstag nicht zu den Hintergründen äußern. Die juristische Auseinandersetzung zwinge zur Vertraulichkeit, sagte Alexander Gerstung aus der Geschäftsführung des Autozulieferers ES Automobilguss mit Sitz in Sachsen.
Fraglich ist, was den Streit zwischen Deutschlands größtem Konzern und den Zulieferern derart eskalieren ließ, dass die Lage nun so verfahren ist. Hintergrund des Konfliktes ist nach dpa-Informationen aus Justizkreisen ein gescheitertes Projekt mit dem externen Partner. (DPA)