Fast die Hälfte der CSU-Bundestags-abgeordneten (27 von 56) hat nach Berechnungen von Abgeordnetenwatch.de teils erhebliche Zusatzeinkünfte durch Nebentätigkeiten. Bei der CDU ist es demnach gut jeder Vierte (29 Prozent), bei der SPD jeder Fünfte (21 Prozent). Insgesamt haben 162 von 630 Volksvertretern seit der Bundestagswahl 2013 mindestens einen Zusatzverdienst neben ihren Diäten (seit Juli 9327 Euro pro Monat) ausgewiesen, wie die Transparenzorganisation am Dienstag in Berlin berichtete.
Sechs Abgeordnete kämen auf Zusatzeinkünfte der nach oben offenen Höchststufe 10, also über 250 000 Euro. An der Spitze der Topverdiener steht - wie schon in der Abgeordnetenwatch-Tabelle des Vorjahres - der CSU-Finanzpolitiker und Landwirt Philipp Graf von und zu Lerchenfeld mit mindestens 1 729 500 Euro seit der Wahl 2013. Dahinter lägen mit Johannes Röring (CDU/mindestens 1 321 500 Euro), Albert Stegemann (CDU/mindestens 1 206 000 Euro) und Stephan Harbarth (CDU/mindestens 1 025 000 Euro) weitere Unionspolitiker.
Unter den zehn Abgeordneten mit den höchsten Zusatzeinkommen findet sich nur ein Sozialdemokrat - der frühere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück auf Platz 7 mit mindestens 590 500 Euro.
Auch bei den Grünen streichen 17,5 Prozent der Abgeordneten Nebenverdienste ein (11 von 63), bei der Linkspartei 14 Prozent (9 von 64), wie Abgeordnetenwatch.de mitteilte. «Insgesamt kassierten die Parlamentarier in der laufenden Legislaturperiode mindestens 18,07 Millionen Euro nebenher», aber es könnten auch bis zu 33,6 Millionen Euro sein, hieß es. Der Grund für die große Grauzone: Abgeordnete müssen nicht die tatsächliche Höhe eines Nebenverdienstes veröffentlichen, sondern ihre Einkünfte nur einer von zehn groben Stufen zuordnen.
Die Transparenzorganisation kritisierte: «Ob ein Abgeordneter 250 001 Euro, 1 Million Euro oder sogar mehr erhält, ist nicht ersichtlich. Von daher ist der Graubereich bei den Nebeneinkünften aller Volksvertreter sogar noch höher als die von Abgeordnetenwatch.de ermittelten 15,6 Millionen Euro.» Der Bundestag teilte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur am Dienstag mit, man könne «solche Spekulationen nicht kommentieren».
«Dass einzelne Abgeordnete mit ihrem Nebenjob unter Umständen mehr als die Bundeskanzlerin (Angela Merkel, CDU) verdienen, ist skandalös. Wir müssen jetzt darüber diskutieren, ob Nebeneinkünfte nicht komplett verboten gehören», sagte der Geschäftsführer von Abgeordnetenwatch, Gregor Hackmack. Bei Freiberuflern und Selbstständigen wie Landwirten oder Rechtsanwälten sei nicht einmal bekannt, woher die Einkünfte stammen, hieß es. Nur wenige Abgeordnete wie die Landwirte Lerchenfeld und Stegemann legten immerhin freiwillig offen, wer ihre Geschäftspartner sind.
Hackmack betonte: «Wenn unsere Volksvertreter mehrere Millionen Euro von unbekannten Geldgebern kassieren, ist dies ein Einfallstor für Lobbyisten.» Weitreichendere Transparenzpflichten würden etwa in Großbritannien gelten. «Britische Unterhausabgeordnete müssen ihre kompletten Einkünfte, sämtliche Geschäftspartner und sogar den zeitlichen Aufwand ihrer Nebentätigkeiten offenlegen. Es gibt keinen Grund, warum diese Transparenzpflichten nicht auch für Bundestagsabgeordnete gelten sollen.» (DPA)