Die junge Dame im Autohaus kann ihren Augen kaum trauen. Denn sie sieht nicht nur einen gewöhnlichen Geländewagen. Sondern sie muss nur einmal mit dem Finger schnippen, schon werden die Bleche durchsichtig. Dann lässt sie den Wagen mit einem weiteren Fingerzeig auch noch vor ihren Augen rotieren, damit sie ihn aus jedem Winkel betrachten kann. Möglich macht das die Virtual-Reality-Brille Hololens des Elektronik-Riesen Microsoft, die Volvo nutzen möchte, um seinen Verkauf digital aufzupeppen:
«Wir wollen den Kunden ein völlig neues Erlebnis bieten, wenn sie ihren künftigen Volvo auswählen, ausstatten und anschauen», sagt Vertriebschef Björn Anvall.
Allerdings geht es dabei nicht nur um Farben oder Felgen, sondern auch um Funktionen, sagt Volvo-Zukunftsforscher Aric Dromi: «Mit der Hololens können wir Sensoren zeigen und Sicherheitssysteme erklären, die man bei einer Testfahrt besser nicht ausprobiert.» Das schaffe Verständnis für und Vertrauen in immer komplexere Technologien, die man mit Worten allein kaum beschreiben könne. Noch ist die Hololens nur ein Forschungsprojekt, das die beiden Partner erst noch im Handel ausrollen müssen. Doch bei einzelnen Veranstaltungen etwa zur Markteinführung von Volvo S90 und V90 wird sie bereits eingesetzt.
Immer öfter sieht man in den Autohäusern große Bildschirme, an denen die Kunden ihre Autos konfigurieren und variieren können. Mit solchen Simulationen folgt man nicht nur dem Zeitgeist und adaptiert den internetbasierten Konfigurationsprozess daheim im Wohnzimmer. Sondern man beuge sich auch logistischen Zwängen, sagt Sven Schuwirth. Bei Audi leitet er die Abteilung Markenstrategie und Digital Business. «Ein normaler Händler hat in seinem Showroom im Schnitt Platz für zwölf Autos. Um unsere Modellpalette abzudecken, müsste er aber fünfmal so viele Autos ausstellen.» Pixel statt Blech, lautet die Devise. Mit vollständig digitalisierter Produktpräsentation stünden auf kleinster Fläche mehrere hundert Millionen Autos virtuell bereit.
Der Computer hilft auch schon bei Auswahl. Denn die ausufernde Vielfalt an Modellen und Varianten, Designlinien und Ausstattungsoptionen macht vielen Kunden die Entscheidung schwer, räumt Natanael Sijanta ein. Er leitet bei Mercedes die Marketing Kommunikation. Erst recht wenn sie keine ausgemachten Autonarren sind. Deshalb hat Mercedes im vergangenen Herbst den sogenannten «Life Style Konfigurator» programmiert. Der soll einen Weg durch den Modell-Dschungel weisen: Wie auf einem Dating-Portal geben Interessenten dort statt klassischer Fahrzeugvorgaben Vorlieben aus 19 Themenbereichen von der Musik bis zur Kulinarik ein. Der Computer ermittelt dann den idealen Auto-Partner mit Zubehör.
Und wer am Stammsitz von Bugatti im französischen Molsheim zusammen mit einem Designer seinen Chiron konfiguriert, kann nicht nur den Gestaltungsprozess des Sportwagens im Maßstab 1:1 an einem riesigen Bildschirm mitverfolgen. «Wer uns vorab die entsprechenden Daten zur Verfügung stellt», sagt Hausherr Christophe Piochon, «sieht das Auto sogar in seiner ganz persönlichen Umgebung vor seinem Haus oder in der eigenen Garage.» Allerdings nur in Bits und Bytes. Bevor man dieses Erlebnis auch in Blech genießen kann, muss man der VW-Tochter mindestens 2,4 Millionen Euro plus Steuern überweisen - am besten natürlich online. (DPA/TMN)