Frankreichs überglückliche Spieler machten im strömenden Regen von Saint-Denis mit ihren fahnenschwenkenden Fans die Welle, die erstmals geschlagenen Isländer holten zum letzten großen Huh aus. Mit ihrer ersten titelreifen Gala haben Antoine Griezmann und Co. das isländische Fußball-Märchen gnadenlos beendet und eine klare Kampfansage an Halbfinal-Gegner Deutschland geschickt.
Die Équipe Tricolore feierte am Sonntagabend im EM-Viertelfinale einen eindrucksvollen 5:2 (4:0)-Erfolg gegen den überforderten und erschöpften Turnier-Debütanten. Olivier Giroud (12. Minute), Paul Pogba, (20.), Dimitri Payet (43.) und EM-Toptorjäger Antoine Griezmann (45.) sorgten schon vor der Pause für die Entscheidung vor 76 833 Zuschauern im Stade de France. «Die Spieler verdienen ein großes Bravo. Auch die Fans die uns so gut unterstützen», sagte Frankreichs glücklicher Trainer Didier Deschamps.
Kolbeinn Sigthórsson (6.) konnte nach der Halbzeit verkürzen, doch dann legte Giroud (59.) nach und sorgte für den zweithöchsten EM-Sieg Frankreichs seit dem 5:0-Erfolg gegen Belgien bei der mit dem Titel gekrönten Heim-EM 1984. Daran änderte auch das zweite Island-Tor durch Birki Bjarnason (84.) nichts mehr. Mehr Tore in einem EM-Spiel gab es nur beim 4:5 der Franzosen vor 56 Jahren gegen Jugoslawien.
Nach mitreißenden EM-Auftritten kann der krasse Außenseiter Island stolz nach Hause zurückkehren. Im strömenden Regen zelebrierten sie mit ihren Fans noch einmal das Huh-Klatschen. «Es war schwierig, aber eine tolle Erfahrung. Mir fehlen die Worte. Es war ein schreckliches Spiel für uns. In der zweiten Halbzeit haben wir gut gespielt, wir haben entschieden, dass wir das Turnier gut für uns beenden wollen», sagte Kapitän Aron Gunnarsson.
Die Franzosen spielen zwei Jahre nach ihrer Niederlage im WM-Viertelfinale von Rio de Janeiro am Donnerstag in Marseille wieder gegen Deutschland - diesmal um den Einzug ins Endspiel. Ein Pflichtspielsieg gegen das Weltmeisterteam gelang Frankreich letztmals bei der WM 1958. «Deutschland ist ohne jeden Zweifel das beste Team. Aber wir sind da, und wir spielen um unsere Chance gegen das beste Team der Welt», sagte Deschamps.
Einen EM-Rekord sicherten sich die Isländer immerhin noch - und das schon mit Anpfiff. Als erstes Team in der Turniergeschichte spielten sie auch ihr fünftes Spiel mit der gleichen Startformation. Frankreich ist das Gegenmodell. Deschamps wechselte immer. Diesmal musste er notgedrungen umstellen, brachte Debütant Samuel Umtiti für den gesperrten Adil Rami in der Innenverteidigung und Moussa Sissoko im Mittelfeld für den ebenfalls wegen zwei Mal Gelb suspendierten N'Golo Kanté in der 4-2-3-1-Formation.
Die Umstellung klappte. Frankreich funktionierte. Vor allem Griezmann und Giroud sorgten für Druck. Nach einem tollen Pass von Blaise Matuidi lief Giroud drei Isländern davon und traf zur frühen Führung.
Island blieb sich treu. Physisch sehr präsent gingen die Fußball-Wikinger an ihr Werk. Doch ausgerechnet im eigentlich den kantigen Isländern zugeschriebenen Lufthoheitsgebiet setzte sich Pogba durch. Mit Wucht drückte er den Kopfball im Zweikampf gegen Kaiserslauterns Jón Dadi Bödvarsson ein.
232:92 Pässe zeigte die Statistik nach gut einer halben Stunde zugunsten der EM-Gastgeber. Die Fans sangen schon lange die Marseillaise. Aber: Das Wort aufgeben gibt es im isländischen Fußball-Sprachgebrauch nicht. Fast hätte der Trick mit dem Katapulteinwurf von Gunnarsson wie gegen Österreich und England geklappt. Doch Bödvarsson brachte keinen Druck hinter seinen Schuss.
Dann wurde es noch vor der Halbzeit richtig bitter. Payet schoss flach aus der Distanz ein. Und Griezmann küsste seinen Schuh. Dann schloss der EM-Topangreifer einen Konter zum 4:0 ab, mit vier Treffern führt Griezmann die Torjägerliste an. Frankreichs Spieler gingen zum ersten Mal beim Heim-Turnier unter großem Applaus in die Kabine. Höher hatte noch nie ein Team zur Halbzeit bei einer EM geführt. Giroud verteilte schon Küsschen Richtung Tribüne.
Island wirkte bis zum Ehrentreffer durch Sigthórsson k.o. Nur die Fans hielten noch tapfer dagegen. Da aber Frankreich spätestens nach Girouds zweitem Treffer in den Laissez-Faire-Modus schaltete, kamen auch die Isländer noch zu ihren Chancen und den zweiten Treffer von Bjarnason. Deschamps war da schon auf Nummer sicher gegangen und hatte die mit Gelb belasteten Giroud und Laurent Koscielny ausgewechselt. (DPA)