«Krieger» Wendel wieder bei Terrakottaarmee

Diesmal nur dabei - und nicht mittendrin: Pablo Wendel. Foto: Marijan Murat
Diesmal nur dabei - und nicht mittendrin: Pablo Wendel. Foto: Marijan Murat

Die Krieger in der Ludwigsburger Sporthalle machen auf Pablo Wendel einen guten Eindruck. «Bis in die Patina hinein.» Und wer könnte die Kopien von Chinas welt-berühmten Terrakottasoldaten besser beurteilen als er? Schließlich kam er vor genau zehn Jahren so nah an die echten tönernen Soldaten des ersten chinesischen Kaisers heran wie sonst niemand. Es war ein internationaler Kunstskandal, als sich der Deutsche 2006 verkleidet unter die Kriegerformation mischte.

Von nächsten Mittwoch (22. Juni) an und bis 11. September ist die Armee in der Arena zu sehen.

 

September 2006: Für seinen Coup hat der 26 Jahre alte Kunststudent aus Stuttgart alles haarklein vorbereitet. Ein halbes Jahr lang habe er das Ganze geplant. «Fast wie einen Einbruch», erzählt er heute. Er wusste, wo die Kameras stehen, wann die Wachen abgelöst werden, wann und wie er seinen Weg in die hinterste Reihe der Armee findet, ohne gesehen zu werden. Sechs, sieben Leute sind eingeweiht. Sie fotografieren und filmen. Wendel nutzt den Verkleidungsservice des Museums an der Ausgrabungsstätte. Den Mitarbeitern erzählt er etwas von einem besonderen Fotoshooting.

 

Sie helfen, den jungen Deutschen täuschend echt als Krieger zu verkleiden, und begleiten ihn sogar an den Sicherheitsleuten vorbei zur Armee. Bei der Wachablösung und an einem nicht von Kameras erfassten Bereich klettert Wendel über die Brüstung und stellt sich samt Sockel zwischen die Krieger. Steif stehen, starr blicken, wie versteinert wirken - so hat er es trainiert. «Ich war in dem Moment ganz Skulptur, innerlich Teil der Armee.» Wie lange dauert es, bis die Soldaten ihn finden? «Vielleicht eine Viertelstunde.»

 

Die Soldaten werden von einer «schattenhafte Person» aufgeschreckt, wie sie zu Protokoll geben. Wie eine echte Skulptur tragen sie ihn schließlich weg. Wendel bleibt steif. «Die Soldaten haben mich dann auch so behandelt, als sei ich tatsächlich ein historischer Krieger.»

 

Statt ins Gefängnis kommt Wendel zunächst einmal groß in die Presse. Die Aktion füllt Titelseiten im Reich der Mitte. «Starke Bilder» gehen um die ganze Welt - wie von Wendel erhofft. «Die werden dich da rausschießen», hätten Unterstützer gesagt, erinnert sich Wendel. «Mit Verhaftung und Gefängnis hatte ich gerechnet. Das hätte ich für die Arbeit, für die starke Idee in Kauf genommen.» Es bleibt aber bei Ermahnungen. Die Chinesen nehmen die Kleidung und schicken ihn heim.

 

Die Gegenüberstellung der echten chinesischen Armee mit der historischen sei seine Absicht gewesen, sagt Wendel. «Ich musste aber sagen, dass es eine spontane Idee war und ich es aus Liebe zur Armee getan hätte.» Auch von «Dummheit» habe er damals nur gesprochen, um seine Gegenüber milde zu stimmen. Vermutlich auch dank dieser Formulierungen sei die Reaktion der Chinesen sehr freundlich gewesen. Überraschend freundlich sogar. Der Deutsche habe «eindeutig eine Leidenschaft entwickelt», teilen die Soldaten damals mit.

 

Erneuerbar sei diese «ästhetische Erfahrung» nicht. Es habe den richtigen Zeitpunkt, richtigen Ort und eine gute Vorbereitung gebraucht. «Das war eine unheimlich starke Setzung. Das gelingt einem nicht immer und lässt sich nicht wiederholen», meint Wendel. Dass er nun der ewige Terrakottakrieger ist, stört ihn wenig. «Immerhin wird man mit etwas identifiziert.» Das müsse man ja auch erst einmal schaffen im internationalen Fahrwasser. «Ich kann davon nur profitieren.»

 

Und was macht Pablo Wendel heute? Er bietet Kunststrom an. Museen und Privatleute beziehen bei ihm und seiner kleinen Firma Strom, der auf ungewöhnliche Weise produziert wird. Angefangen hat es damit, dass Wendel Solarzellen auf Leuchtwerbung klebte und quasi in Strom zurückverwandelte. «Schmarotzer» hieß diese erste Arbeit. Inzwischen gibt es auch Skulpturen, die durch Wind Kunststrom für 20 Haushalte produzieren. Über die Nebenkosten fördern die Kunden von Performance Electrics die Kunst. Alle Einnahmen steckt Wendel in «kreative Energien», wie er es nennt. Und wieder schaffe er ein «starkes Bild», sagt er. «Lasse ich das Licht an, fördere ich Kunst.» (DPA)