Bretten (dpa) - Der Süden Deutschlands leidet weiter unter dem Hochwasser. Stundenlanger Regen hat erneut Bewohner, Feuerwehr und Polizei in Atem gehalten. Betroffen war vor allem der nordwestliche Teil Baden-Württembergs. Dort zog sich ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz lebensgefährliche Verletzungen zu. Auch in Bayern traten Bäche über die Ufer, in dem Ort Polling drohte zum zweiten Mal binnen weniger Tage Hochwasser.
Der Deutsche Wetterdienst (DWD) erwartet am Freitag erst einmal Beruhigung, aber am Wochenende weitere Regenfälle. Vereinzelt seien wieder Gewitter möglich. Doch insgesamt ändere sich die Großwetterlage, hieß es vom DWD. Kühlere Luft vom Norden schiebe die Gewitterwolken nach Süden.
Versicherer halten währenddessen Prämienerhöhungen für möglich: Die zahlreichen Unwetter mit Millionenschäden werden nach Einschätzung der Provinzial Nordwest auf die Preise für die Gebäudeversicherung durchschlagen. Vorstandschef Wolfgang Breuer rechnet im Durchschnitt mit einem Preisanstieg von rund einem Prozent, der auf Hausbesitzer in absehbarer Zeit zukommen werde, sagte Breuer am Donnerstag in Münster. Wenn lokale, heftige Wetterereignisse in kurzer Zeit viele Schäden anrichteten, habe das Folgen für die gesamte Branche.
In Baden-Württemberg und Bayern kamen die Einsatzkräfte am Donnerstag nicht zur Ruhe. Ein Feuerwehrmann verletzte sich am Mittwochabend an einer S-Bahn-Haltestelle in Bretten bei Karlsruhe. Der 35-Jährige war auf einen Güterwaggon geklettert, um sich einen Überblick über eine Schlammlawine zu verschaffen, in die der Zug geraten war. Dabei kam es zu einem Stromschlag von der Oberleitung.
Zwischen Sulzbach und Murrhardt kam der Verkehr der Murrbahn wegen unterspülter Gleise zum Stillstand. In Schemmerhofen stürzte ein Bauarbeiter in eine drei Meter tiefe Grube und verletzte sich schwer. Nach Angaben der Polizei hatte er zusammen mit Kollegen versucht, die Grube zum Schutz vor einem Gewitter mit einer Plane abzudecken.
Auf dem Gelände des Flugplatzes Mosbach-Lohrbach wurde ein Arbeiter von einem Blitz getroffen und leicht verletzt, als er eine Antenne wartete. Bei Ölbronn-Dürrn setzte ein Blitzschlag eine Scheune in Brand. Das Feuer konnte aber schnell gelöscht werden. Mehrere Straßen und Keller standen unter Wasser. Nach ersten Schätzungen der Polizei beträgt der Schaden der Unwetternacht allein in zwei der betroffenen Kreise mindestens rund 500 000 Euro.
Ein Einsatzfahrzeug der Polizei stürzte in Rosenheim in den Inn. Die aus zwei Beamten bestehende Besatzung konnte sich am Donnerstag im letzten Moment retten, ehe der Wagen in den Fluten versank. Das Fahrzeug wurde in der starken Strömung des Hochwasser führenden Flusses abgetrieben, wie die Polizei mitteilte.
Im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau wurden Straßen und eine Firma für Elektrogeräte überschwemmt. In Polling, dessen Ortskern erst am Sonntag überflutet worden war, wurden sechs Straßen gesperrt. Das Technische Hilfswerk (THW) versuchte, Wasser aus dem Tiefenbach zu pumpen, um das Überlaufen des Flüsschens zu verhindern.
Im vom Hochwasser besonders getroffenen Simbach am Inn (Landkreis Rottal-Inn) blieb ein befürchteter Murenabgang glücklicherweise aus. Am Donnerstag gedachte auch der Landtag der sieben Toten der Flut in Niederbayern.
Der bayerische Landtag gedachte nach der Hochwasserkatastrophe in Niederbayern mit einer Schweigeminute der Toten. Denjenigen, die ihr Hab und Gut verloren hätten, müsse schnell und unbürokratisch geholfen werden, sagte Landtagsvizepräsident Reinhold Bocklet (CSU) am Donnerstag. Bei den Überschwemmungen im Landkreis Rottal-Inn in der vergangenen Woche starben sieben Menschen. Nach Schätzungen des Landrats entstand ein Schaden von mehr als einer Milliarde Euro.
Bundesumweltministerin Hendricks erinnerte angesichts der vielen Unwetter in Deutschland an die Folgen des Klimawandels. «Durch den Klimawandel häufen sich diese Ereignisse», sagte sie der «Nordwest-Zeitung». «Mit immer neuen Temperaturrekorden erhöht sich auch die Wahrscheinlichkeit für Wetterlagen, die Extremereignisse begünstigen.» Die Länder und der Deutsche Wetterdienst arbeiteten bereits an besseren Vorhersagen. «Hier brauchen wir aber auch noch mehr Forschung.»
Nach zuletzt zwei Wochen mit heftigen Unwettern beruhigt sich die Wetterlage den Prognosen zufolge bald - und es wird merklich kühler. Polarluft soll die Gewitterwolken immer weiter nach Süden schieben, sie regnen sich voraussichtlich am Alpenrand ab. Die Großwetterlage habe sich geändert, sagte Meteorologe Thomas Ruppert vom DWD. Das hartnäckige Höhentief, das sich zwei Wochen lang über Mitteleuropa gehalten habe, sei nun Vergangenheit. (DPA)