Lammert rügt Erdogan

Bundestagspräsident Lammert spricht zu Beginn der Sitzung zur verabschiedeten Armenien-Resolution. Foto: Kay Nietfeld
Bundestagspräsident Lammert spricht zu Beginn der Sitzung zur verabschiedeten Armenien-Resolution. Foto: Kay Nietfeld

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) hat die Angriffe des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan auf türkischstämmige Abgeordnete mit scharfen Worten zurückgewiesen. «Dass ein demokratisch gewählter Staatspräsident im 21. Jahrhundert seine Kritik an demokratisch gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages mit Zweifeln an deren türkischer Abstammung verbindet, ihr Blut als verdorben bezeichnet, hätte ich nicht für möglich gehalten», sagte Lammert am Donnerstag im Bundestag.

«Die Verdächtigung von Mitgliedern dieses Parlamentes als Sprachrohr von Terroristen weise ich in aller Form zurück.»

 

Nach der Verurteilung der Massaker an den Armeniern vor rund 100 Jahren als Völkermord im Bundestag hatte Erdogan türkischstämmige Abgeordnete wegen ihres Abstimmungsverhaltens als verlängerten Arm der verbotenen kurdischen PKK bezeichnet. Er verlangte auch, sie sollten ihr Blut im Labor testen lassen. Im Internet wurden die türkischstämmigen Parlamentarier massiv bedroht.

 

«Die zum Teil hasserfüllten Drohungen und Schmähungen sind leider auch durch Äußerungen hochrangiger türkischer Politiker befördert worden», beklagte Lammert mit Blick auf die Äußerungen Erdogans.

 

Die Armenier-Resolution, die vor einer Woche fast einstimmig verabschiedet worden war, hatte heftige Reaktionen in der Türkei ausgelöst. Bei den Massakern im Osmanischen Reich waren im Ersten Weltkrieg bis zu 1,5 Millionen Menschen ums Leben gekommen.

 

«Wir stellen uns jeder Kritik und wir ertragen auch persönliche Angriffe und Polemik», sagte der Bundestagspräsident. «Doch jeder, der durch Drohungen Druck auf einzelne Abgeordnete auszuüben versucht, muss wissen: Er greift das ganze Parlament an.» Lammert kündigte an: «Wir werden darauf entsprechend reagieren mit allen Möglichkeiten, die uns im Rahmen der Gesetze zur Verfügung stehen.» Allen Abgeordneten, die im Zusammenhang mit ihrer politischen Tätigkeit bedroht oder unter Druck gesetzt würden, gelte die Solidarität des gesamten Parlaments.

 

Lammert sagte, die Türkische Gemeinde Deutschlands und der Türkische Bund Berlin-Brandenburg hätten die Schmähungen gegen Abgeordnete zurecht als abscheulich und inakzeptabel kritisiert. «Ich würde mir wünschen, dass auch andere der zum Teil sehr großen türkischen Organisationen in Deutschland ebenso Partei für die Abgeordneten und unsere Demokratie ergreifen - mit ähnlich klaren und eindeutigen Stellungnahmen, wie sie bei anderen Gelegenheiten häufig sehr schnell und sehr lautstark abgegeben werden.»

 

Ursprünglich hatte die Linksfraktion wegen der Attacken Erdogans für Donnerstag eine Aktuelle Stunde im Parlament beantragt. Angesichts der klaren Worte Lammerts zog die Fraktion den Antrag kurzfristig zurück. Die Debatte wurde abgesetzt. (DPA)