Mit dem Leidenslied «1944» über die Vertreibung ihrer Minderheit unter Sowjetdiktator Josef Stalin hat die Krimtartarin Jamala für die Ukraine den Eurovision Song Contest 2016 gewonnen. Damit siegte die Ukraine nach 2004 zum zweiten Mal beim ESC. Den Liederwettbewerb gibt es seit 1956. Platz zwei erreichte in der Nacht zu Sonntag Australien, Rang drei Russland. Deutschland holte in Stockholm mit dem Lied «Ghost» von Jamie-Lee Kriewitz lediglich elf Punkte und kam auf den letzten Platz.
Im vergangenen Jahr war Deutschland mit Ann Sophie («Black Smoke») und null Punkten ebenfalls auf dem letzten Platz gelandet.
Die Zuschauer konnten wie immer über den Sieger mit abstimmen, jedoch nicht für die eigene Nation. Ihr Voting wird ergänzt von Juroren. Voting-Fenster war zwischen 23.02 Uhr und 23.44 Uhr.
In der Zeit trat der amerikanische Superstar Justin Timberlake außer Konkurrenz auf, wünschte den Teilnehmern viel Glück («Cheers to You!») und sang unter anderem seinen neuen Hit «Can't Stop The Feeling», den zwei Schweden mitschrieben. In diesem Jahr zeigte auch ein US-Sender erstmals live das ESC-Finale.
In diesem Jahr war die Punkteverkündung von Jurys und Publikum erstmals getrennt, zuerst wurden per Schalte in alle Länder die Jurystimmen abgefragt (umgerechnet in 1 bis 8 sowie 10 Punkte und die Höchstwertung 12 Punkte; abgegeben bereits am Freitag nach der Generalprobe, dem sogenannten Jury-Finale). Dann verlasen die Moderatoren die Zuschauervoten (wieder in Punkten), was es diesmal spannend bis zum Schluss machte. Lange Zeit sah es nach einem Sieg von Australien aus.
Der Wettbewerb sei einst geschaffen worden, um einen nach dem Krieg zerrissenen Kontinent zu einen, sagte Moderator und Vorjahressieger Måns Zelmerlöw zum Auftakt der Finalshow. Moderatorin Petra Mede - die bereits 2013 in Malmö moderierte - ergänzte, wenigstens einmal im Jahr schaffe Europa eine völkerverbindende Show über die Musik.
Die Komikerin Mede und Zelmerlöw führten humorvoll und selbstironisch durch die Show, gaben während der Zuschauerabstimmung unter anderem einen Klischee-Grand-Prix-Lied zum Besten («Love Love Peace Peace»), das auf allerhand frühere Teilnehmer und Sieger wie etwa die finnischen Hard-Rock-Monster Lordi von 2006 anspielte oder die russische Oma-Truppe Buranowskije Babuschki (Großmütter aus Buranowo) von 2012.
Die «The Voice of Germany»-Siegerin Jamie Lee mit der Startnummer zehn meisterte ihren Auftritt gegen 21.45 Uhr in einem blauen fantasievollen Manga-Outfit-Kleid mit Kopfschmuck und Waldbühnenbild.
Die Sängerin war Ende Februar beim deutschen Vorentscheid gekürt worden. Ursprünglich hatte der bei der ARD zuständige NDR Xavier Naidoo schicken wollen, dessen Nominierung als einzigen Kandidaten aber wieder kassiert, als Proteste gegen einige politische Äußerungen des Sängers («Dieser Weg») laut geworden waren.
26 Lieder konkurrierten beim großen Finale in Stockholm. Zum zweiten Mal war auch Australien als Ehrengast dabei, weil es dort viele Fans gibt, die die Show gucken. Musikalisch wurde ein breites Spektrum geboten.
Mit dem Sieg ist kein Geld, sondern nur eine Trophäe verbunden - außerdem die ESC-Austragung im Folgejahr. Insgesamt nahmen am ESC in diesem Jahr 42 Länder teil. 16 davon schieden in den Halbfinals am Dienstag und Donnerstag aus, darunter die Schweiz, Norwegen, Dänemark, Island und Irland.
Vergangenes Jahr in Wien hatte der smarte Måns Zelmerlöw («Heroes») gesiegt, 2015 die bärtige Dragqueen Conchita Wurst für Österreich («Rise Like A Phoenix»). Deutschland hat bislang zweimal gewonnen, 1982 mit Nicole («Ein bißchen Frieden») und 2010 mit Lena («Satellite»).
Die Show 2016 war im Vergleich zu Wien wieder etwas größer, vor etwa 16 000 Zuschauern - statt etwa 10 000 in Wien. Das Budget des schwedischen Rundfunks für den ESC lag bei 125 Millionen Schwedischen Kronen (rund 13,4 Millionen Euro), so viel wie 2013 in Malmö. Die Stadt Stockholm plante zudem umgerechnet weitere etwa 11 Millionen Euro ein.
Geschätzt etwa 180 Millionen Zuschauer weltweit verfolgten die Finalshow vor dem Bildschirm. In Deutschland schalteten im vergangenen Jahr durchschnittlich etwa 8,1 Millionen ein, davor waren es etwa 8,9 Millionen. In den Jahren 2011 und 2010 hatte die Live-Übertragung des Musikspektakels wegen des Hypes um Lena jeweils um die 14 Millionen Fernsehzuschauer.
Auch in diesem Jahr kommentierte für die deutschen TV-Zuschauer im Ersten der ARD wieder Peter Urban (68) die Show. Es war bereits sein 19. Mal. Nach Mitternacht brach kurze Zeit die Tonleitung zusammen und Urban wählte sich telefonisch wieder ein und klang wie ganz ganz früher.
Das Finale des 62. Eurovision Song Contest soll nach vorläufigen Angaben der Veranstalter von der European Broadcasting Union (EBU) am 20. Mai 2017 über die Bühne gehen. Anders als dieses Jahr und im vergangenen Jahr wäre dies nicht am langen Pfingstwochenende.
Wenn sich das Siegerland für seine Hauptstadt entscheidet, wäre der Austragungsort im kommenden Jahr Kiew. (DPA)