Rekordverlust, eingebrochener Aktienkurs und ein historischer Dividendenausfall - bei der Hauptversammlung der Deutschen Bank ist Ärger programmiert. Vor allem Aufsichtsratschef Paul Achleitner ist angezählt. Dass die Aktionäre ihn entlasten, ist nicht gewiss. Zudem droht eine Sonderprüfung, die Schadensersatz-ansprüche gegen ihn und weitere Top-Manager des Instituts wegen der schleppenden Aufarbeitung der Skandale der Vergangenheit untersuchen soll.
Achleitner hat schon angekündigt, sich zu verteidigen. Er freue sich auf das Aktionärstreffen an diesem Donnerstag (19. Mai), verkündete er in der «Zeit». Dort könne man offen reden.
Aber auch der seit Juli amtierende Vorstandschef John Cryan wird sich kritischen Fragen stellen müssen. Seit seinem Amtsantritt hat sich der Börsenwert der Deutschen Bank halbiert. Nur die italienische Unicredit und die britische Standard Chartered haben unter den europäischen Großbanken im gleichen Zeitraum noch schlechter abgeschnitten. Mit einem harten Sparkurs und der Konzentration auf profitable Geschäftsbereiche versucht Cryan, die Bank wieder fit zu machen. Dabei bremsen ihn aber immer wieder die zahlreichen juristischen Altlasten der Bank.
Die Anleger konnte Cryan noch nicht überzeugen. Im Februar war das Misstrauen am Markt so groß geworden, dass sich der Brite dazu genötigt sah, die Stabilität der Bank öffentlich zu betonen. Die größte Aufregung hat sich seitdem zumindest gelegt. Dennoch befürchten einige Beobachter, dass die Bank auf absehbare Zeit nicht um eine neuerliche Kapitalerhöhung herumkommt. Das will das Management unbedingt vermeiden. Dafür müssen die Aktionäre aber für mindestens zwei Jahre auf eine Dividende verzichten - ein Novum in der Nachkriegsgeschichte der Bank.
Achleitner ist gewarnt. Im vergangenen Jahr hatte die Hauptversammlung die damalige Doppelspitze Anshu Jain und Jürgen Fitschen mit gerade gut 60 Prozent entlastet. Das wurde als Misstrauensvotum gewertet. Rund zwei Wochen später gab die Bank die Trennung vom langjährigen Chefinvestmentbanker Jain bekannt. Fitschen durfte noch ein Jahr länger bleiben - auch weil die Bank ihm für den Strafprozess vor dem Münchner Landgericht den Rücken stärken wollte. Nach der Hauptversammlung verlässt Fitschen den Vorstand, aber das ist wohl nur noch Nebensache.
Die Liste der Vorwürfe gegen Achleitner ist lang. Viele kritisieren, dass der frühere Allianz-Vorstand und Goldman-Sachs-Banker zu lange an Jain festgehalten habe. Auch dass die Strafe im Libor-Skandal um manipulierte Zinssätze wegen mangelnder Kooperation der Bank höher ausfiel, schiebt mancher dem Chefkontrolleur in die Schuhe. Der weist solche Vorwürfe regelmäßig als haltlos zurück. Einer möglichen Sonderprüfung sieht er offiziell gelassen entgegen. Der Aktionärsberater Glass Lewis, dessen Votum wichtige angelsächsische Investoren folgen, empfiehlt dennoch, den Aufsichtsrat und die seit mehr als einem Jahr amtierenden Vorstände nicht zu entlasten.
Dass vor wenigen Wochen auch noch der bisherige Chefaufklärer im Aufsichtsrat, Georg Thoma, nach öffentlichen Angriffen seinen Rücktritt erklärte, sorgt für zusätzlichen Zündstoff. Nun muss sich die Bank des Eindrucks erwehren, dass der Wille zur Aufarbeitung der vergangenen Skandale, die der Bank schon viele Milliarden an Strafen eingebrockt haben, leiden könnte. So heißt es, dass Thoma mit Alleingängen alle übrigen 19 Aufsichtsratsmitglieder gegen sich aufgebracht habe.
Bei der Hauptversammlung hat der Jurist noch seinen Platz. Seine Tätigkeit endet gemäß Satzung der Bank nach Ablauf einer Frist von einem Monat nach der Rücktrittserklärung, das ist am 28. Mai. Danach muss das Frankfurter Amtsgericht zunächst einen Interimsvertreter bestellen, ehe bei der Hauptversammlung im nächsten Jahr ein Nachfolger gewählt wird. (DPA)