An der Spitze des baden-württembergischen Landtags steht erstmals eine Frau und Muslimin. Das gab es auch bundesweit bisher noch nicht. Das Parlament in Stuttgart wählte die türkischstämmige Grünen-Politikerin Muhterem Aras am Mittwoch mit großer Mehrheit zur Landtagspräsidentin. Das Amt ist nach dem Ministerpräsidenten protokollarisch das wichtigste. «Wir haben heute Geschichte geschrieben», sagte die 50 Jahre alte Steuerberaterin aus Stuttgart am Mittwoch im Landtag.
Aras plädierte für eine lebendige und faire Debattenkultur. Sie werde genau darauf achten, dass im Parlament ein respektvoller und fairer Umgang miteinander herrsche. Mit ihrer Wahl habe der Landtag «ein deutliches Zeichen gesetzt. Ein Zeichen weit über die Grenzen Baden-Württembergs hinaus. Ein Zeichen für Weltoffenheit, für Toleranz und für das Gelingen von Integration», sagte sie. Aras bekam in geheimer Wahl 96 Ja-Stimmen, 39 Nein-Stimmen und 3 Enthaltungen. Vier Stimmzettel enthielten einen anderen Namen, einer war ungültig.
Sie werde sich als Landtagspräsidentin mit aller Kraft und Leidenschaft für den Erhalt der Grundwerte und den Zusammenhalt der Gesellschaft einsetzen. «Ich sehe eine meiner wichtigsten Aufgaben darin, fraktionsübergreifend zu vermitteln und zu integrieren», sagte die Finanzexpertin.
Bis auf den Alterspräsidenten Heinrich Kuhn von der Alternative für Deutschland (AfD) verweigerten die Rechtskonservativen ihr den Applaus. Lediglich Fraktionschef Jörg Meuthen gratulierte Aras per Handschlag. Die AfD hatte unlängst auf ihrem Bundesparteitag in Stuttgart den umstrittenen Satz, der Islam gehöre nicht zu Deutschland, in das Parteiprogramm aufgenommen.
«Wir haben immer gesagt: Zu Deutschland gehören sehr wohl Millionen Menschen islamischen Glaubens, die bei uns leben, friedlich integriert. Eine davon ist jetzt Landtagspräsidentin - so what?», sagte Meuthen am Rand der konstituierenden Sitzung des neuen Landtags. Es sei aber bemerkenswert, dass Aras als Erstes betont habe, welche Errungenschaft ihre Wahl sei. «Wer zu uns gehört, wo ist das Problem», sagte Meuthen.
Zugleich kam es zwischen der erstmals im Parlament vertretenen AfD und den anderen Parteien zum Streit. Die AfD beanspruchte einen Vize-Präsidentenposten. Sie scheiterte damit aber, weil Grüne, CDU, SPD und FDP geschlossen dagegen stimmten. Der CDU-Abgeordnete und bisherige Landtagspräsident Wilfried Klenk wurde zum Vize von Aras gewählt. (DPA/LSW)