Das brisanteste Thema steht bei der Hauptversammlung der Deutschen Börse gar nicht auf der Tagesordnung: Der angestrebte Zusammenschluss mit der Londoner Börse LSE. Dennoch dürften die Fusionspläne von Konzernchef Carsten Kengeter sein erstes Aktionärstreffen im neuen Amt bestimmen. Für heute hat der Dax-Konzern seine Anteilseigner nach Frankfurt eingeladen.
Es gebe einige Sachen, die die Deutsche Börse unter seiner Führung «gebündelter und etwas dynamischer nach vorne treiben» werde, hatte Kengeter bei der Bilanzvorlage Mitte Februar betont - ein Seitenhieb auf seinen Vorgänger Reto Francioni. Wenige Tage später überraschte die Deutsche Börse mit Plänen für eine europäische Megabörse.
Kengeter macht in Sachen Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) Tempo und zeigt sich zuversichtlich, den Deal spätestens im ersten Quartal 2017 zu einem erfolgreichen Abschluss zu bringen. Frankfurt drohe ansonsten im weltweiten Wettbewerb der Börsenbetreiber den Anschluss zu verlieren - vor allem an die Branchenriesen aus den USA.
Doch Großfusionen sind bei der Deutschen Börse kein Selbstläufer, dessen ist sich Kengeter bewusst. «Es gibt noch viele Hürden», sagte der Manager vor ein paar Tagen. An der LSE biss sich die Deutsche Börse schon zwei Mal die Zähne aus: Im Mai 2000 scheiterte der Plan zu einer Fusion mit den Londonern. Im Frühjahr 2005 torpedierten angelsächsische Hedgefonds den erneuten Griff nach der LSE und jagten den damaligen Deutsche-Börse-Chef Werner Seifert aus dem Amt.
Dieses Mal gibt es in Frankfurt unter anderem deshalb Vorbehalte, weil die Dachgesellschaft des geplanten Gemeinschaftsunternehmens in London angesiedelt werden soll. Allerdings ist vorgesehen, dass die Aktionäre der Deutschen Börse mit 54,4 Prozent die Mehrheit halten.
Nach bisherigen Plänen sollen die Aktionäre der beiden Börsenbetreiber noch im zweiten Quartal über die Fusionspläne entscheiden. Zudem steht die Zustimmung etlicher Aufsichtsbehörden noch aus. Auch ein möglicher EU-Austritt Großbritanniens («Brexit») soll die Pläne nicht durchkreuzen. Am 23. Juni stimmen die Briten ab, ob ihr Land weiter Mitglied der Europäischen Union bleibt.
Vielleicht lässt sich mancher kritische Anteilseigner der Deutschen Börse dadurch überzeugen, dass das Unternehmen die Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr von 2,10 Euro auf 2,25 Euro je Aktie anheben will - obwohl der Überschuss wegen Kosten für ein Sparprogramm und Aufwendungen für zwei Übernahmen mit 665,5 Millionen Euro 13 Prozent geringer ausfiel als 2014.
Der Investmentbanker Kengeter (49) jedenfalls hat ehrgeizige Pläne: «Unser Ziel ist es, die Gruppe Deutsche Börse dorthin zu führen, wo sie hingehört - an die Weltspitze.» (DPA)