München ist das mit Abstand teuerste Pflaster für Wohnungssuchende in Deutschland - auch für Studenten, die eine WG-Bude brauchen. Doch die wenigsten von ihnen können die hohen Mietpreise bezahlen. Zu Beginn des Sommersemesters lag der Standardmietpreis für unmöblierte Zimmer in einer Wohngemeinschaft der Isarstadt mit 530 Euro am höchsten, vor Frankfurt/Main (447 Euro) und Stuttgart (430 Euro). Tendenz: in allen drei Städten steigend.
Die Auswertung des Berliner Empirica-Instituts auf Basis von mehr als 100 000 Warmmieten-Inseraten für WG-Zimmer in 120 deutschen Städten bestätigt einen Trend: Das ganz normale Wohnen wird für viele Studierende fast unerschwinglich - allerdings abhängig vom Uni-Standort. Denn es geht auch billiger: Die günstigsten WG-Angebote für Zimmer zwischen 10 und 30 Quadratmetern gab es der Studie zufolge in Chemnitz (216 Euro) und Wilhelmshaven (230 Euro) - nicht gerade Traumziele für die akademische Bildung.
Zugleich verrät die bislang letzte Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) für 2012, dass sich Studierende zu 27 Prozent ein WG-Zimmer wünschen, zu 26 Prozent eine Wohnung alleine und zu 31 Prozent eine Bleibe mit Partner oder Partnerin und eventuell auch mit Kind. Im «Hotel Mama» wollten nur 6 Prozent wohnen bleiben, in einem Studentenwohnheim 9 Prozent unterkommen.
Womöglich ändert sich in der jetzt startenden DSW-Sozialerhebung 2016 angesichts mancher WG-Mondpreise das Image der Wohnheime. Anteilmäßig stehen freilich immer weniger Kapazitäten zur Verfügung. 2015 kam dort nur noch jeder zehnte Studierende unter. Der Mangel an Wohnheimplätzen - die Quote im Verhältnis zur Studentenzahl fiel in 25 Jahren von fast 15 Prozent (1991) auf 9,86 Prozent (2015) - könnte sich noch sehr negativ auswirken.
Die Zahl der Studierenden in Deutschland stieg seit Mitte der Nuller-Jahre um 40 Prozent auf fast 2,8 Millionen - inklusive immer mehr Ausländern, die besonders auf günstigen Wohnraum angewiesen sind. «Im selben Zeitraum sind die öffentlich geförderten Wohnheimkapazitäten aber nur um fünf Prozent gewachsen», sagt DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde, der dringend mehr staatlich geförderten Wohnraum für Studenten verlangt.
Aktuelle Studien wie von Empirica oder dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) bestätigen laut Meyer auf der Heyde eine «Zuspitzung» vor allem in Großstädten und an attraktiven Universitätsstandorten. Dort träten Studierende zunehmend in Konkurrenz mit ärmeren Wohnungsuchenden und Flüchtlingen. «Wir kennen Städte mit hoher Flüchtlingsaufnahme, wo die Wartelisten unserer Studentenwerke zuletzt wieder kräftig angewachsen sind.»
Meyer auf der Heyde hört gelegentlich das Argument, junge Leute müssten ja nun nicht unbedingt in München oder Hamburg studieren - zwischen Aalen, Wuppertal und Schmalkalden gebe es doch viel Auswahl. «Man kann ja nun nicht die Marktprobleme, die seit Jahren zu erwarten waren, den Studenten anlasten nach dem Motto: Ihr seid zu verwöhnt», entgegnet er dann.
Zunächst einmal habe «jeder das Recht, sich die Uni auszusuchen, solange das nicht durch einen Numerus Clausus ausgehebelt ist». Die dringlichere Frage sei doch: «Wie kriegen wir die Marktentwicklung durch Stützmaßnahmen so in den Griff, dass auch junge Leute mit schmalem Geldbeuten in diesen attraktiven Städten studieren können?», sagt Meyer auf der Heyde.
Das DSW kritisiert, dass eine ganze Reihe Bundesländer bei im Bau befindlichen oder geplanten Studentenwohnheimplätzen auf Sparflamme kochen oder gar nichts tun. Mit Stand 1. Januar 2015 waren Brandenburg, Bremen, das Saarland und Sachsen auf diesem Gebiet überhaupt nicht aktiv, weist die Statistik aus. Den Löwenanteil der bundesweit 13 600 neuen Wohnheimplätze finanzierten demnach Nordrhein-Westfalen (4788), Bayern (3088), Baden-Württemberg (2383) und Hessen (1427).
«Die armen Länder haben Probleme, da müsste der Bund helfen», fordert Meyer auf der Heyde. Notwendig seien 25 000 zusätzliche preisgünstige, staatlich geförderte Wohnheimplätze als Minimum. Sein Credo: «Wenn die Bundesregierung sich am Ausbau der Studienkapazitäten beteiligt, dann muss sie sich folgerichtig auch an einem Hochschulsozialpakt beteiligen.» Erst recht, «wenn nun noch zu erwartende 20 000 studierfähige Flüchtlinge hinzukommen. Die stehen am untersten Ende der Einkommenskala.»
Die Regierung zeigt nun immerhin Initiative: Für Neubauten und mehr Sozialwohnungen erhalten die Länder für 2016 bis 2019 jährlich rund eine Milliarde Euro - fast eine Verdoppelung der Bundesmittel. Schwarz-Rot will private Investoren dazu bringen, nicht vorrangig Bürogebäude, Einfamilienhäuser oder Luxuswohnungen zu bauen, sondern kleinere, günstige Wohnungen. Ob dort am Ende aber auch Studenten wohnen? (DPA)